OT: Minaccia d'amore
HORROR: ITALIEN, 1988
Regie: Ruggero Deodato
Darsteller: William Berger, Charlotte Lewis, Marcello Modugno, Mattia Sbragia
Als das bildhübsche Modell Jenny (Charlotte Lewis) den öffentlichen Münzfernsprecher in einer schmierigen Bar benutzt, um ihren Freund anzurufen, wählt sie versehentlich die falsche Nummer. Am anderen Ende der Leitung hört sie merkwürdige Geräusche. Dann erhält Jenny auch Zuhause Anrufe, bei denen es gleichermaßen merkwürdig aus der Leitung tönt. Etwas später sterben erst Jennys Goldfische, dann Menschen aus Jennys Umfeld ...
KRITIK:Im Jahre 1988 hat Ruggero CANNIBAL HOLOCAUST Deodato gleich zwei Spielfilme gedreht, PHANTOM OF DEATH und DIAL: HELP. Während er mit PHANTOM gezeigt hat, wie man aus einem richtig guten Konzept einen richtig schlechten Film macht, ging er mit DIAL: HELP den entgegengesetzten Weg: Bei diesem Film hat sich der gute Ruggero ganz offensichtlich von vornherein entschlossen einen richtig schlechten Film zu machen, aber das so richtig gut!
Doch bevor ich jetzt anfange, zu erklären, wieso dieser so schlechte Film so gut ist, muss ich zunächst einmal eine energische Warnung aussprechen: Wer hier einen spannenden oder gar erschreckenden Horror-Thriller erwartet, der wird wahrscheinlich nach höchstens 30 Minuten genervt die Kiste ausschalten oder gar gleich völlig desorientiert aus dem Fenster springen. Denn DIAL: HELP ist sicherlich vieles, aber ganz bestimmt kein spannender Film!!!
DIAL: HELP ist ein sympathisch absurder Film, der sich selbst in keiner Minute ernst nimmt. Er ist auch einer dieser italienischen Filme aus den 80ern, in denen sich hübsche großbrüstige Modells in verführerischen Posen räkeln. Somit erweist er sich als ein naher Verwandter von Filmen wie Lamberto Bavas DELIRIUM: PHOTO OF GIOIA. Und wer bei letzteren einen ernsthaften Giallo erwartet, der liegt ebenso daneben, wie jemand, der bei Ruggero Deodatos DIAL: HELP mit einem ernsthaften Horrorfilm rechnet. Denn wie die Inhaltsangabe bereits erahnen lässt bietet der Film von Anfang bis Ende nur eines: surrealen, absurden Unsinn, der nicht nur die Telefone Amok laufen lässt!
Was DIAL: HELP jedoch eindeutig von DELIRIUM unterscheidet, das ist die kompetente Machart. Der Score stammt von Claudio Simonetti, also jenem italienischen Musiker, der gemeinsam mit seiner Prog-Rock Band Goblin bereits so unvergessliche Dario Argento-Klassiker wie PROFONDO ROSSO, SUSPIRIA und TENEBRAE musikalisch veredelt hat. Aber auch auf visueller Ebene weiß der Film durchaus zu überzeugen. Deodatos jederzeit stimmige Inszenierung wird unterstützt durch die stilvolle Kameraarbeit von Renato Tafuri. Letzterer war z.B. auch für die Cinematografie von Michele Soavis STAGE FRIGHT und THE CHURCH verantwortlich.
Die atmosphärisch dichten Bilder aus der (Telefon-)Zentrale des Bösen erinnern mit ihren geheimnisvollen Nebelschwaden und gurrenden Tauben gar an den ein Jahr vor DIAL: HELP von Alan Parker inszenierten Klassiker des übersinnlichen Horrorthrillers ANGEL HEART. In dieser Zentrale hängt sogar einen großes rotes Kitchherz an der Wand, das im Finale noch eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Worin diese Rolle genau besteht, das lässt sich wie so vieles andere in diesem Film jedoch nicht mit Bestimmtheit sagen. Ist auch egal, solange die am Ende aus dem offenen Fenster in die Freiheit entfliehenden Tauben nur ein schönes Bild ergeben.
Da es sich hier um einen Horrorfilm von Ruggero Deodato handelt, gibt es selbstverständlich auch eine wohldosierte Portion Splatter. Das sieht dann z.B. so aus: Jenny und ihr Freund Riccardo (Marcello Modugno) treffen in einem Flughafenterminal den Experten für Parapsychologie Dr. Klein (William Berger). Als die ihm von den durch Telefonterror verursachte Todesfälle berichten, denkt Dr. Klein kurz angestrengt nach, um anschließend ganz furztrocken über im Universum herumschwirrende Kräfte zu palavern. Diese könnten sich an einem Punkt bündeln und dann ausbrechen und sogar töten.
Während der Herr Doktor noch fleißig am Dozieren ist, ertönt ein Aufruf für Jenny, der sie ans Telefon bittet. Wir ahnen jetzt natürlich schon Schlimmes! Nicht jedoch Jenny, wieso auch? Und eher es Dr. Klein noch verhindern kann nimmt sie tatsächlich den Anruf entgegen. Es ertönt ein Geräusch, dass eindeutig darauf schließen lässt, dass Scotty jetzt gleich hochgebeamt wird. Und im nächsten Augenblick liegt der Doktor auch schon spastisch zuckend auf dem Boden. Sein Herzschrittmacher explodiert und reißt gleich ein paar nach Wiener Würstchen aussehende Innereien mit sich!
Aber viel wichtiger als die eigentliche Horrorhandlung ist für DIAL: HELP die sexy Protagonistin Jenny, deren körperliche Reize stets ins rechte Licht gerückt werden. Dies geschieht jedoch nicht in Form von billigem Softcore-Gerammle. Ganz im Gegenteil gibt es in diesem Film sogar kaum nackte Haut zu sehen! Dafür aber Szenen wie diese: Sexy Jenny geht ins Bad um sich dort mit verträumten Blick erst ihre schwarze Reizwäsche und dann noch ein paar scharfe schwarze Schuhe anzuziehen. Dann dreht sie sich noch verträumter blickend ein wenig vor der Wand, damit wir sie auch ja von allen Seiten ausreichend bewundern können, bevor sie in voller Montur ins ein bereits eingelassenes Schaumbad springt! In der Wanne, wir ahnen es jetzt bereits, dreht sie sich ein wenig verträumt blickend im Badeschaum umher. Dann legt sie ihre Arme so um ihre prallen Brüste, dass kurz sogar ihre Nippel sichtbar werden. Ende der Einstellung.
In solchen Szenen offenbart sich das wahre Vorbild für DIAL: HELP: Roger Vadims genau zwanzig Jahre zuvor gedrehter erotischer Edeltrash-Streifen BARBARELLA. In den 60er Jahren wusste man mit solchen sinnfreien, stinklangweiligen, aber zugleich auch abgefahrenen und wunderschönen Filmen auch noch etwas anzufangen. Das ist kein billiger Trash, sondern hohe Kitsch-Kunst, oder mit anderen Worten erlesenster Camp!
Gorehounds holt die Kotztüte raus! Was euer Meister Ruggero Deodato hier angerichtet hat, ist keine deftige Schlachtplatte, sondern erlesenster Edeltrash: strunzdumm, stinklangweilig und wunderschön!