OT: Assassinio al cimitero etrusco
GIALLO: ITALIEN, 1982
Regie: Sergio Martino
Darsteller: Elvire Audray, Paolo Malco, Claudio Cassinelli, Van Johnson
Joan Barnard hat beängstigende Träume und Visionen von alten etruskischen Opferritualen, in denen den Delinquenten das Genick gebrochen wird. Da wird ihrem Ehemann, einem Archäologen, der gerade auf eine verschüttete Etruskergruft gestoßen ist, im fernen Italien der Hals umgedreht. Als Joan ins Stiefelland reist, gerät sie mitten hinein in einen lebensgefährlichen Fall, der sich um Drogen, Mord, alte Schätze, aber auch um übersinnliche Phänomene dreht
KRITIK:Ursprünglich war dieses Werk von Sergio Martino aus dem Jahr 1982 als Zweiteiler fürs italienische Fernsehen gedacht. Dort hätten die beiden je hundertminütigen Spielfilme als Double Feature unter den an den alten Martino-Klassiker DER SCHWANZ DES SKORPIONS angelehnten Titel SCORPION WITH TWO TAILS gesendet werden sollen. Der Plan erfuhr eine kurzfristige Änderung: Komprimiert auf eine Spielfilmlänge kam SCORPIONS WITH TWO TAILS unter dem Namen ASSASSINIO AL CIMITERO ETRUSCO schließlich doch in die italienischen Kinos.
Warum auch nicht? Regie hat Sergio Martino (DER KILLER VON WIEN) und die Kamera sein Stammphotographer Giancarlo Ferrando (ALL THE COLORS OF THE DARK, TORSO) geführt. Das Skript stammt mit Gastaldi und Sacchetti von zweien der renommiertesten Drehbuchautoren des italienischen Genrekinos und die Filmmusik von Fabio Frizzi, dessen Kompositionen vielen aus den allerbesten Fulci-Zombieflicks bekannt sein dürften.
Auch in der Darstellerriege finden sich neben der blonden (und leider auch blassen) weiblichen Hauptrolle Elvire Audray einige klanghafte Namen wie Paolo (DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER, DER NEW YORK RIPPER) Malco, John (THE GIRL WHO KNEW TOO MUCH) Saxon oder den viel zu früh von uns gegangenen Claudio (SUSPECTED DEATH OF A MINOR) Cassinelli.
Man sollte meinen, dass dies für eine Kinoauswertung Wappnung genug sein sollte, oder? Nun, in den Augen vieler Fans und Kritiker hat sich ASSASSINIO AL CIMITERO ETRUSCO, der jüngst unter seinem inhaltlich mit dem SCHWANZ DES SKORPIONS weder verwandt noch verschwägerten, aber zur Story passenden Ur-Titel SCORPION WITH TWO TAILS in den USA auf DVD neuaufgelegt wurde, jedoch nicht mit Ruhm bekleckert. Und in dieser Hinsicht konnte auch die Zeit keine Wunden heilen.
Doch so furchtbar schlecht wie er gerne gemacht wird, ist der Film eigentlich nicht. Auch wenn sich Sergio Martino in den Credits hinter dem Pseudonym "Christian Plummer" versteckt. Auch wenn dieses Murder Mystery aus den frühen Achtzigern streng genommen nicht mal annährend den großen Martino-Gialli aus den Siebzigern das Wasser reichen kann. Auch wenn Hauptdarstellerin Audray eher Mauerblümchen als Königin ist. Auch wenn im Score von SCORPIONS WITH TWO TAILS stets und ständig Evergreens wie "Apoteosi del Mistero" aus Frizzis kultigen EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL-Soundtrack wiederverwertet werden. Doch hey, gerade die altbekannten, düsteren Frizzi-Sounds, die auch im vorliegenden Film die perfekte musikalische Begleitung zu den stimmigeren (zumeist in dunklen, steinernen Grüften spielenden) Momente darstellen, werden bei jedem, der dem italienischen Splatterkino auch nur ein bisschen nahe steht, die süßesten Erinnerungen wecken.
Die Musik wie auch der großzügige Einsatz wimmelnder Maden in Großaufnahme grüßen mehr als einmal rührig in Richtung des mittlerweile verstorbenen Maestro Lucio Fulci und dessen bekanntermaßen besonders leichenwurmstichigen Zombiefilmen. Und da die Drehbücher zu letzteren in der Regel Dardano Sacchetti geschrieben hat, dürfen jetzt alle dreimal raten, auf wessen Mist die (Ekel-)Auftritte der kleinen pläsierlichen Tierchen wohl gewachsen sind. Maden, Frizzi - na, da fehlt bei all diesen Fulci-Reminiszenzen eigentlich nur noch der Gore. Aber da die Spezialität des rätselhaften Killers aus der Etruskergruft das Halsumdrehen ist (und das ursprüngliche Konzept ohnehin auf normales TV-Programm ausgelegt war)müssen wir auf Blutorgien verständlicherweise verzichten.
Dafür wartet dieser Giallo neben dem besagten Gewürm mit übersinnlichen Elementen wie Premonition und Reinkarnation auf, die allerdings recht dezent in die hauptsächlich irdischen Verbrechen rund um das Etruskergrab eingewoben wurden. Horrorfilmzutaten in Verbindung mit Drogengeschäften könnten für Genrepuristen auf den ersten Blick eine nicht unbedingt glückliche Kombination darstellen; aber dann und wann zündet die Mischung doch.
Und wenn noch ein Attentäter in Motorradfahrerkluft in Erscheinung tritt, dann schaut der SCORPION WITH TWO TAILS den Giallo-Aficionado mit großen, süßen Kulleraugen an und bittet rührend um Nachsicht - für die etwas schleppend erzählte (aber nicht unspannende) Story und die verglichen mit Martinos früheren Klassiker doch deutlich abgespeckten Produktionsbedingungen (wobei man diesbezüglich bedenken sollte, dass der Film lediglich als TV-Projekt gestartet ist.)
Also quo vadis, SCORPION? Bei Zuschauern, die dem guten alten abseitigen italienischen Genrekino nicht in Treue verbunden sind, dürfte der MURDER IN AN ETRUSCAN CEMETERY herzlich wenig Eindruck hinterlassen. Doch für Fans birgt dieser Steifen, der zugegebenermaßen kein Überflieger ist, trotzdem einige gelungene Szenen und einen nicht zu unterschätzenden nostalgischen Wert. Von daher darf sich ein geneigtes Publikum zu meiner Wertung noch ein halbes Pünktchen dazu denken.
Madenkolonien, dezente PSI-Einlagen und wiederverwertete Frizzi-Scores of EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL fame können zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch für einen Sergio Martino die Giallo-Bäume nicht allesamt in den Meisterwerkshimmel gewachsen sind, aber ganz so schlecht wie sein äußerst bescheidener Ruf ist SCORPION WITH TWO TAILS nicht. Ursprünglich als TV-Thriller angelegt wurde dieser prominent besetzte Giallo um übersinnliche Visionen, Etruskerschätze, Drogen und einem unheimlichen Genickbrecher seinerzeit doch noch im Kino gezeigt, wo er allerdings gefloppt ist. Auch wenn SCORPION WITH TWO TAILS immer ganz tief im Schatten jedes einzelnen Martino-Klassiker der 70er stehen wird, sollte er den Getreuen des italienischen Kultkinos dennoch einen Blick wert sein. Die Nostalgiebrille lässt nämlich über manches Defizit gnädig hinwegsehen und hält zumindest den kleinen Spannungsbogen bis zu den Endtitles gespannt.