OT: Lo squartatore di New York
GIALLO: ITALIEN, 1982
Regie: Lucio Fulci
Darsteller: Jack Hedley, Antonella Interlenghi, Alexandra Delli Colli, Andrea Occhipinti
In New York geht ein Serienkiller um, der mit Donald Duck-Stimme spricht und junge Frauen brutal ermordet -
Über Lucio Fulcis erste Giallo-Zeit, die nach Umwegen über anderen Genres Ende der Sechziger mit PERVERSION STORY begonnen hat und nach den drei über ein Jahrzehnt verstreuten Meisterwerken A LIZARD IN A WOMAN´S SKIN (1971), DON´T TORTURE A DUCKLING (1972) und THE PSYCHIC (1977) vorerst geendet hat, haben wir schon ausführlich gesprochen.
Kurz darauf sind Lucio Fulcis Zombie-Tage angebrochen. Beginnend mit WOODOO-SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES aus dem Jahr 1979 und endend mit dem 81er HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER hat er vier monumentale Splatterwerke abgeliefert, die nicht nur kommerziell ungemein erfolgreich waren, sondern vielleicht auch die Klassiker des harten Horrorfilms sind. Deren verbindende Charakteristika waren die hemmungslos exzessiven Blood´n´Guts-Szenen: Sich durch einen Frauenaugapfel bohrender Holzsplitter, durchgeschossene Zombiemädchenköpfe, Madenstürme, das Erbrechen der eigenen Gedärme - alles unvergessene Goremomente und wahr gewordene feuchte Bluthundsträume
Vielleicht war es logische Konsequenz, dass Fulcis Weg über seine frühen stylischen Gialli über bluttriefende Zombiefilmpfade letztendlich zu einem Film wie NEW YORK RIPPER geführt hat.
Aber wie ist dieser Streifen nun eigentlich einzuordnen? Ist es der fragwürdig misogyne Slasherfilm, den viele in ihm sehen? Oder ein in die totale Blutrünstigkeit pervertierter Giallo? Oder einfach nur ein spekulativer Goreflick im Gewand eines Serienkillerfilms?
Nun, in meinen Augen haben wir es mit einem Giallo zu tun, den nicht nur in Deutschland das Verbot ereilt hat und der es in die Riege der kontroversesten Werke der italienischen Splatteroffensive der 80er Jahre geschafft hat. Vielleicht war DER NEW YORK RIPPER Fulcis Versuch seine früheren Murder Mysteries irgendwie mit dem seinerzeit angesagten filmischen Blutdurst zu verbinden.
Ein Indiz für die Richtigkeit dieser These könnte das Hinzuziehen von Luigi Kuveiller sein, der bekanntlich nicht nur bei Argentos Meisterwerk DEEP RED, sondern auch bei Fulcis A LIZARD IN A WOMAN`S SKIN die Kamera geführt hat. Allerdings geht DER NEW YORK RIPPER so ganz andere Wege als Fulcis frühere Gialli; er entfernt sich weit von der alten Genreschule und geht auf vollen Konfrontationskurs. Angesichts des hier mit derbsten de Rossi-Effekten gestalteten und exzessiv betriebenen Abschlachten von weiblichen Körpern kommt selbst der abgebrühteste Verfechter abseitiger Filmkunst etwas in Erklärungsnöte, wenn er laut sagt, dass er NEW YORK RIPPER für einen guten Film hält.
Doch andererseits muss man zugeben, dass der Film sowohl für den Splatterfilm als auch für den Giallo unverzichtbar ist.
Und das bestimmt nicht wegen der sehr unbeholfenen Darstellung polizeilicher Ermittlungsarbeit oder der überwiegend schwachen Dialoge. Auch nicht wegen dem recht gewöhnungsbedürftigen, manchmal etwas unpassend erscheinenden Score oder dem groben Logikschnitzer bei einer Anrufrückverfolgung.
Nein, seine starken Momente hat der Film, wenn er in die Extreme geht. Bei den grausamen Morden des Rippers oder dem sleazigen Sex, der hier eine weitaus extremere Rolle als in den anderen Werken Fulcis einnimmt.
Aber man wird dem NEW YORK RIPPER nicht gerecht, wenn man ihn auf seine expliziten, exzessiven Augenblicke oder auf seine Blutrünstigkeit reduziert. Gerade in der zweiten Hälfte bringt Fulci eine gehörige Portion Suspense in die Handlung und zu den zügellosen Gewaltakten gesellen sich wirklich packende Passagen.
Unter dem Strich ist DER NEW YORK RIPPER ein hyperbrutaler Schlitzerfilm, der es den Fans nicht unbedingt leicht macht. Selbst eingefleischte Fulci-Fans könnten ein paar Durchläufe brauchen, bis sich ihnen die Kraft dieses Streifens in der Gänze offenbart. Blind zugreifen können allerdings die Gorehounds. Dank Gianetto de Rossi sollten sie hier selig werden. So hinterlassen ein abgebrochener Flaschenhals, der in einen Unterleib gestoßen wird oder die Rasierklinge, die durch Nippel und Augapfel fährt, bleibende Eindrücke. Wobei meines Erachtens keine Goreeinlage die krasseste Szene des Films stellt. Nein, viel erschütternder fand ich die Tränen eines alleingelassenen, sterbenden Mädchen am Ende von NEW YORK RIPPER. Dieses Schlussbild lässt diesen blutigen, kranken Schlitzerflick fast schon zur Tragödie werden
Noch eine letzte Anmerkung zur deutschen DVD von Astro: Welchem Spoilerkönig ist denn eigentlich dort die glorreiche Idee gekommen, mit dem Schluss des Films (inklusive Aufdeckung des Killers und dessen Motiv) das DVD-Menü (!) zu animieren? Geht´s noch?
Anfang der Achtziger hat DER NEW YORK RIPPER mit zügelloser Blutrünstigkeit alle hiesigen Hexenjäger des Jugendschutzes und der Filmzensur gegen sich aufgebracht. Doch steckt mehr hinter diesem Film, der von den einen als misogyne Gewaltorgie verdammt, von den anderen als Goreglanztat verehrt wird? Ich meine, ja. Denn DER NEW YORK RIPPER ist sicherlich ein kontroverser, gar pervertierter Giallo, aber auch einer, der eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für das Genre hat