HORROR: DEUTSCHLAND, 2007
Regie: Andy Fetscher
Darsteller: Friederike Kempter, Ioanna Jacob, Andreas Thiele, Daniela Schulz
Die deutsche Studentin Lara erhält die traurige Nachricht, dass ihre Eltern und die kleine Schwester in Rumänien bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Mit ein paar Freunden fährt sie nach Osteuropa, um Abschied von der Familie zu nehmen. Dort angekommen stellt sich allerdings heraus, dass Laras Vater im Namen einer dubiosen Hilfsorganisation in Rumänien verdorbenes Fleisch verkauft hat. Mit grausigen Konsequenzen; denn nun streifen dort in den finsteren Wäldern mutierte Kinder umher, die der Gammelfleischverzehr zu kannibalischen Unholden gemacht hat -
KRITIK:Kommt n Mann in die Metzgerei und sagt: "Ich hätte gern was von der fetten groben." Sagt die Verkäuferin: "Tut mir leid, aber die hat heute Berufschule."
Sorry, mein alter Lieblingskalauer kam mir in den Sinn als ich die schmucke Verpackung der DVD in Händen hielt. BUKAREST FLEISCH kommt nämlich wie ein abgepacktes Steak; auf Styropor in Folie eingeschweißt.
Doch in BUKAREST FLEISCH geht es nicht primär um die Wurst - und ganz sicher nicht um stämmige Fleischereifachverkäuferinnen. Viel mehr greift der Student Andy Fetscher in seiner Abschlussarbeit für die Filmakademie Baden Württemberg - wobei das Diplom trotz (oder dank) Mini-DV und Super 16 bestimmt nicht schlechter als euer üblicher B-Moviehorrorflick mit mordlüsternen Mutantenkinder aussieht - die noch gar nicht so lange zurückliegenden Lebensmittelskandale um verdorbene Fleischwaren nochmal auf.
Fetscher breitet in kühlen, durchgestylten Bildern einen beeindruckenden Fächer an Stilen auf. Gerade für einen deutschen Horrorfilm präsentiert sich BUKAREST FLEISCH optisch eigenwillig und mutig und schafft von Beginn an eine düstere, beklemmende Atmosphäre. Diese wird anfänglich mit einer knallhart aufs Wesentliche beschränkten Erzählstruktur noch verstärkt. So extravagant wie die Inszenierung bleibt der Plot allerdings nur bis zum Mittelteil. Mit Ankunft im Haus einer rumänischen Informantin wird aus dem bis dahin liebevoll gehegten mysteriösen Öko-Verschwörungsszenario mit dem noch unbekannten, aber schon beängstigenden Ausmaß leider doch nur ein ziemlich herkömmlicher Horrorflick. Nun offenbart sich, dass das BUKAREST (Gammel-)FLEISCH doch nur als einfach gestrickte Erklärung für das Vorhandensein von einbandagierten, wahnsinnigen Kindermutanten in rumänischen Wäldern hergenommen wurde.
Die sicherlich angebrachte Kritik am skrupellosen Umgang mit verdorbenen Lebensmitteln, die gerne auch wurmstichig, aber Hauptsache gewinnbringend in ärmeren Ländern, aber auch bei unserem freundlichen Supermarkt-Fleischer im Angebot landen, um arglose Kundenmägen zu verderben, verkommt leider und letztlich zur ökologisch wenig aufrüttelnden Standardformel vieler Zombiefilme, die aber dann doch noch ab und an die Dinge in interessante wie makabere Relationen zu setzen weiß. So sicher wie Günter Grass auf den letzten Satz mächtig stolz wäre, so gelungen ist das bizarre Szenario in der "Kirche" dieser aus Gammelfleisch gewordenen Monsterkinder. Bestecke und mit Blut und Leichen gefüllte Müllsäcke, die wie Mobile von der Decke hängen. Die visualisierte Finsternis von Kreuz und Gabel einer kannibalischen Gemeinde aus bandagierten Schrecken. Fürwahr der Stoff, aus dem die abseitigen Alpträume sind
Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass Andy Fletscher in Deutschland Kenntnis von David Gregorys filmischen Schaffen in Connecticut hatte, aber die ungefähr zeitgleich entstandenen Werke der beiden - nämlich BUKAREST FLEISCH und Gregorys PLAGUE TOWN - ähneln sich in gewisser Hinsicht.
Hier wie dort treiben Mutantenkinder in düsteren Wäldern ihr Unwesen; und hier wie dort wurde es teilweise meisterhaft verstanden, diese Szenen verdammt scary zu gestalten. Auch in Sachen Splatter ließ sich Fetscher nicht lumpen und brachte einige unappetitliche Dinge mit geschärften Löffeln und lebendig gefressenen Beinen an den Start
Doch hierzu an anderer Stelle mehr. Da sich die kleinen Missverständnisse mit der harten Horrorfraktion in letzter Zeit etwas häuften und meine Zeiten, in denen ich meine Filmeinkaufszettel ausschließlich auf den "Gore Score" im Deep Red Horror Handbook oder den Blutpegeln der seligen Gory News ausgerichtet habe, offensichtlich vorbei sind und mir darüber hinaus der geübte streng auf die Effekte fixierte Tunnelblick eines Gorehounds etwas abhanden gekommen ist, haben wir uns dazu entschlossen, bei einschlägigen Horrorflicks eine zweite Expertenmeinung einzuholen. Die gibt es künftig von unserem guten Freund Peter, den wir auch Genital Grinder-Pete, Triple P (für Psycho Pathologist Peter) oder einfach nur liebevoll Gore-Ziegenpeter nennen. Zu seiner Review - frisch vom Gorebauernhof - gehts hier. Und für Rechtschreibfehler kann er nichts
Mir bleibt abschließend zu sagen, dass BUKAREST FLEISCH auf jeden Fall zu den bemerkenswerten deutschen Outputs fürs Horrorgenre in der jüngeren Vergangenheit zählt und viele der hiesigen semiprofessionellen Splattereien mit Ausnahme von TEARS OF KALI in den Punkten Originalität, Atmosphäre und Gänsehaut aus dem Feld schlägt.
Für die Hauptrolle hat Fetscher übrigens die aus den Thiel & Boerne-TATORTen bekannte Friederike Kempter gewinnen können. Kempter, die auch kürzlich im Kino im SF-Flick PANDORUM zu sehen war, spielt klasse. Neben ihr genügt leider nur noch Andreas Thiele den Ansprüchen. Der Rest der Cast rekrutiert sich augenscheinlich aus wenig erfahrenen (Laien?-) Darstellern. Doch auch diese kleinen Abstriche macht BUKAREST FLEISCH mit seiner beklemmenden Atmosphäre wett. Ach, ehe ich s vergesse: Mir gefällt die lesbische Liebesszene zwischen Friederike Kempter und Ioanna Jacob
Als hätten sich THE BROOD, CABIN FEVER und 28 WEEKS LATER an der Gammelfleischauslage im Supermarkt getroffen - Andy Fetschers Abschlussarbeit für die Filmakademie Baden-Württemberg entpuppt sich als eigenwillig und düster inszenierter durchgestylter Ökohorror aus deutschen Landen mit einigen erlesenen Alptraumszenarien inklusive dunkler Wälder und unheimlicher Kinder