OT: Los sin nombre
HORROR: SPANIEN, 1999
Regie: Jaume Balagueró
Darsteller: Emma Vilarasau, Karra Elejalde, Tristán Ulloa, Pep Tosar
Die bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Leiche eines kleinen Mädchens wird aus einem Kanalrohr gezogen.
Claudia und ihr Mann identifizieren es als die vermisste Tochter Angela.
Fünf Jahre später läutet Claudias Telefon und die Stimme eines Mädchens, das sich für Angela ausgibt, fleht um Hilfe.
Die verzweifelte Mutter macht sich auf die Suche nach ihrer totgeglaubten Tochter und gerät in die Fänge einer Sekte, die sich dem absolut Bösen verschrieben hat
Die Marschroute gibt Balagueró gleich zu Beginn mit einer grausig entstellten Mädchenleiche vor und bleibt bei dieser während der gesamten verstörenden Suche nach der vermeintlich toten Tochter bis hin zu einem Ende, das den Zuschauer mit einem flauen Gefühl im Magen zurücklässt, weil es Nihilismus pur ist.
Den Bildern von Kameramann Giménez (u.a. THE ABANDONED) sind Farbe und Wärme entzogen und so passen sie sich in ihrer Unterkühltheit perfekt der beklemmenden und düsteren Romanvorlage aus der Feder Ramsey Campbells an.
Und auch Balagueró macht ernst. Von Anfang an macht er dem Zuschauer unmissverständlich klar, dass er in diesen 96 Minuten keinen Sonnenschein zu erwarten hat. Er wird ausschließlich mit gequälten, gescheiterten oder sehr, sehr kranken Seelen konfrontiert werden, denn in THE NAMELESS herrscht die Dunkelheit im Abgrund der menschlichen Seele vor. Weil Balagueró es verstanden hat, diese Atmosphäre in vielen kryptischen wie verstörenden Szenen atmen zu lassen, ist sein Werk ein Horrorfilm geworden, der beißt.
Allerdings ist der Höllentrip nicht für die MTV-Generation produziert worden. THE NAMELESS ist ein reifer, beklemmender, extrem versiert gemachter Schocker, der Elternalpträume, urbane Hoffnungslosigkeit und ein paar drastische Schockbilder mit Bezügen zu einst real existierenden Geheimbünden wie dem finsteren Thule-Orden verknüpft. Und daraus ist wahrlich "ein Sakrament an Grausamkeit und Furcht" geworden, um es einmal mit einem Zitat aus dem Film zu umschreiben.
Denn THE NAMELESS ist sowohl höllisch spannend als auch ultrahart; auch wenn diverse Actionfanatiker und manche Splatterfans dem wahrscheinlich vehement widersprechen werden und in eigenen Reviews längst ein Klagegeheul angestimmt haben. Weil die ersteren einen langsamen Erzählrhythmus (welcher dennoch die Schlinge unerbittlich zuzieht) mit Langeweile verwechseln und letztere den Härtegrad eines Horrorfilms lediglich über dessen Kunstblutverbrauch definieren.
Doch manchmal kann ein Film, der die Dinge nur andeutet, weitaus mehr verstören als hundert SAW-Spielchen zusammen; besonders wenn der Grundton dieses Werks so grimmig ist wie in THE NAMELESS. Ganz davon abgesehen, dass Balagueró zwar keine Gore-Orgie feiert, aber sehr wohl einige drastische Schockbilder abliefert. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf eine bösartige (Fake-) Snuffsequenz, die zwar sehr viel kürzer und weniger explizit, aber genauso krass - realistisch wie die berüchtigten Szenen aus D´Amatos EMANUELLE IN AMERICA rüberkommt.
Und wem das nicht reicht, der sollte sich auf ein gespenstisches und brutales Ende gefasst machen.
Balagueró jedenfalls hat mit diesem Frühwerk eine eindrucksvolle Kostprobe seines großen Talents gegeben. Er ist eine Bereicherung des Genres, wie er erst unlängst mit dem Live-Zombiekracher [REC] bewiesen hat.
Eine Mutter sucht ihr totgeglaubtes Kind und findet eine teuflische Sekte - Psychologische Kriegsführung in Gestalt eines extrem beklemmenden und düsteren Horrortrips.