DOKU: USA, 2005
Regie: Stuart Samuels
Darsteller: John Waters, David Lynch, George A. Romero
Und wieder blickt einen Doku zurück in die Filmwelt der Siebziger Jahre: Nach Inside Deep Throat, der die abenteuerliche Geschichte des ersten und einzigen Porno-Blockbusters der Filmgeschichte aufrollt,
erzählt MIDNIGHT MOVIES von einer Art cineastischem Paralleluniversum, der wunderbaren Welt der Mitternachtsfilme:
Alles begann mit El Topo. Für den surrealistischen, ultra-brutalen Western des mexikanischen Regisseurs Alejandro Jodorowsky fand sich anfangs kein Verleih.
Doch ein New Yorker Kinobesitzer fand Gefallen an dem bizarren Werk und erklärte sich bereit, El Topo
um Mitternacht zu spielen, weil er "für jede andere Tageszeit zu intensiv" sei. Und siehe da:
Bei einem studentischen, bewusstseinserweiternden Rauchwaren nicht abgeneigtem Publikum
verfehlte das schwer psychedelische Werk seine Wirkung nicht. Begeisterte Mundpropaganda machte El Topo
zum Mitternachts-Kultfilm. Ein neues Genre war geboren.
Die Doku MIDNIGHT MOVIES mixt Filmausschnitte, Original-Aufnahmen von den Kinovorführungen
und Interviews mit Zeitzeugen zu einem unterhaltsamen Infotainment-Cocktail,
der ein wenig den Spirit dieser Zeit wieder aufleben lässt.
Schlag nach unter gesellschaftlicher Aufbruch, freie Liebe, psychedelische Drogen, oder Kino als Ort der Gegenkultur.
Dass der Blick zurück nicht nur nostalgisch ausgefallen ist, sondern auch die Gegenwart nicht ausklammert,
muss man den Machern hoch anrechnen.
Die - etwas gewagte - Kernaussage dieser Doku ist, dass der revolutionäre Geist der Midnight Movies
im heutigen Hollywood-Mainstream weiter lebt. Teilweise zumindest.
Ohne die legendären Tabubrüche eines John Waters (u.a. Pink Flamingos, Pecker),
der schlechten Geschmack sozusagen salonfähig machte, wären heutige Bad Taste-Blockbuster wie American Pie oder Scary Movie, aber auch Kill Bill wohl kaum möglich.
Einziger Wehrmutstropfen: Mit 86 Minuten Laufzeit ist diese interessante Doku doch ein wenig zu kurz
und auch zu oberflächlich geraten. Und warum im Vorspann die Herrn Tobe Hooper (Texas Chainsaw Massacre)
und David Cronenberg (Crash, A History of Violence) kurz zu sehen sind, ihre Filme aber mit keinem Wort erwähnt werden, muss man mir bitte auch genauer erklären.
Trotz kleiner Schwächen und gelegentlicher Geschwätzigkeit diverser interviewter Zeitzeugen eine
unterhaltsame und informative Zeitreise zurück in die frühen Siebziger.
Kann man sich durchaus ansehen ...
Ab 17.8.2006 als Leih-DVD in der Videothek.
TV: ARTE, 5.1.2007, 23:45