OT: Adam Resurrected
DRAMA/GROTESKE: D/IL, 2008
Regie: Paul Schrader
Darsteller: Jeff Goldblum, Willem Dafoe, Ayelet Zurer, Moritz Bleibtreu, Joachim Król
Adam Stein (Jeff Goldblum) war ein Superstar in den Berliner Varietés der 20er-Jahre. Dann kamen die Nazis an die Macht und Adam ins KZ. Überleben konnte er, weil er sich sich für den SS-Kommandanten Klein (Willem Dafoe) bellend und winselnd zum Hund machte. In einer psychiatrischen Klinik mitten in der israelischen Wüste versucht Stein, ins Leben zurück zu finden. Doch die Traumata der Vergangenheit holen ihn ein, als er eines Tages im Sanatorium Hundegebell hört...
KRITIK:"Jüdischer Witz kennt keine Tabus", hat der deutsche Filmemacher Dany Levy ("MEIN FÜHRER") einmal gesagt. Das gilt auch, wenn der Regisseur ein bekennender Calvinist ist.
ADAM RESURRECTED ist die 17. Regiearbeit von Paul Schrader, der mit seinen Drehbüchern zu TAXI DRIVER, LIGHT SLEEPER und WIE EIN WILDER STIER Filmgeschichte geschrieben hat - im wahrsten Sinn des Wortes.
Die Buchvorlage namens "Adam Hundesohn" stammt vom israelischen Autor Yoram Kaniuk, der mit seinen politisch unkorrekten Provokationen immer wieder Schlagzeilen macht - zuletzt, als er die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als "unser Disneyland" bezeichnete.
Ähnlich "unorthodox" ist dieser Film, den man sich wie eine pechschwarze, surrealistische Kreuzung aus SCHINDLERS LISTE und EINER FLOG ÜBER DAS KUCKUCKSNEST vorstellen muss. Sofern das überhaupt möglich ist.
Ein ganz eigener, hart an der Pietäts- und Geschmacklosigkeitsgrenze entlang schrammender Humor durchzieht den Film- wobei mir das Lachen meist im Hals stecken geblieben ist. Viele Szenen sind grausam und komisch zugleich - was ja auch ein Merkmal des jüdischen Humors ist: Der heitere Blick auf zutiefst traurige, unfassbare Dinge. Schlag nach unter Humor als Überlebensstrategie.
Natürlich gibt es auch Momente, die heftigst auf das Gefühlszentrum einprügeln - vielleicht werde ich ja allmählich ein sentimentaler Trottel, aber Sterbeszenen mit Kindern halte ich ganz, ganz schwer aus. Jungvätersyndrom, wahrscheinlich.
Vor allem aber ist ADAM RESURRECTED ein Paul Schrader-Film. Seine Leitmotive - Schuld und Erlösung, abgründige Sexualität und religiöse Symbolik - sind allgegenwärtig.
Wie immer kann sich Schrader auf hervorragende Schauspieler verlassen: Jeff Goldblum sollte für die Performance des traurigen Clowns Adam Stein mit allen verdammten Oscars ausgezeichnet werden, die je vergeben wurden. Skandalöserweise wurde er nicht mal nominiert. Sein Gegenspieler ist ein gewohnt diabolischer Willem Dafoe als psychisch labiler Nazi mit eigenwilligem Sinn für "Humor". Und in kleinen Nebenrollen treten die bekannten deutschen Gesichter Moritz Bleibtreu, Veronica Ferres und Joachim Król auf.
Zumindest in Deutschland hat der Film einiges an Medienresonanz erfahren - handelt es sich doch um die erste deutsch-israelische Co-Produktion zum Thema Holocaust. Auch wenn Paul Schrader in Interviews immer wieder betont, dass die Shoah nicht das Hauptthema ist.
Tatsächlich wirkt ADAM RESURRECTED wie ein radikaler Gegenentwurf zu den pathetischen Holocaust-Dramen made in Hollywood. Und trotzdem schleicht man 90 Minuten später ziemlich mitgenommen aus dem Kino.
Holocaust-Aufarbeitung einmal anders: Eine psychotische, surrealistische Tragikomödie, die beim Versuch, dem Grauen ins Gesicht zu lachen, wenig Rücksicht auf etwaige Geschmacksgrenzen nimmt.
Paul Schrader bleibt seinen altbekannten Themen treu und hat mit Jeff Goldblum einen gewaltig aufspielenden Hauptdarsteller gefunden.
Zu sehen im Wiener Künstlerhaus-Kino.