OT: Quien puede matar a un nino? / Who can kill a child?
HORROR: SPANIEN, 1976
Regie: Narciso Ibánez Serrador
Darsteller: Lewis Fiander, Prunella Ransome
Schon wenn beim Vorspann zu unschuldigem Kindergesang reale und äußerst schockierende Horrorbilder von Kindern in Konzentrationslagern,
Kriegs- und Hungergebieten schonungslos auf dem Bildschirm prangern,
beantwortet sich die Frage, die der Titel stellt, quasi von alleine:
Die Erwachsenen können und tun dies auch.
Vielleicht sind diese entsetzlichen Bilder auch schon die Erklärung dafür,
warum die Kinder auf einer spanischen Urlaubsinsel zum Schluß kommen,
dass ihr Leben ohne die Erwachsenen sicherer ist.
Und weshalb in ihrer neuen Welt alles was kein Kind mehr ist, gnadenlos vernichtet wird.
Als Tom und seine schwangere Frau Eve auf die Insel kommen,
werden sie von spielenden Kindern begrüßt, aber finden zunächst keine Erwachsene vor;
und sind schon bald ihres Lebens nicht mehr sicher.
Denn die Kinder auf dieser Insel haben den Spieß herumgedreht.
Nun sind sie die Aggressoren, deren Gewalt nunmehr die Erwachsenen hilflos ausgeliefert sind
und der sie nichts entgegenzusetzen haben.
Den packenden, hitzigen Überlebenskampf von Tom und Eve präsentiert uns Narcisco Ibánez Serrador
in einer äußerst bemerkenswerten Optik. Findet Horror üblicherweise in düsteren (Hinter-)Wäldern,
dunklen Korridoren, verfallenen Hütten, Friedhöfen oder Kellergewölben statt,
spielt WHO CAN KILL A CHILD? bei grellem Tageslicht.
Und das gibt der beklemmenden Atmosphäre, die hier so gekonnt aufgebaut wird,
dass das bloße, passive Auftauchen eines Kindes dem Auftritt eines grausigen Ungeheuers gleich kommt,
noch einmal eine besondere Note.
An Schocksequenzen - ich meine richtige Schocksequenzen, die bis ins Mark gehen - ist dieser Film reich.
Aber mehr will ich gar nicht verraten, denn das Messer schneidet tiefer,
wenn es einen unvorbereitet trifft. Regisseur Narciso Ibánez Serrador hat hier ein absolutes Over the Top-Horrorstück abgeliefert, das in der Community unverständlicherweise ein Schattendasein fristet.
Freilich schmälert das in keiner Weise seine herausragenden Qualitäten.
Noch ein Wort zur Thematik, die natürlich fast die gleiche wie bei den sehr viel
bekannteren KINDER DES ZORNS von Stephen King ist: Nicht Serrador war es,
der an einer innovativen Idee partizipiert hat.
Denn WHO CAN KILL A CHILD? ist aus dem Jahr 1976, während Stephen King seine Kurzgeschichte "Children of the Corn"
erst ein Jahr danach, nämlich 1977, geschrieben hat.
Der ursprüngliche saudumme deutsche Titel "TÖDLICHE BEFEHLE AUS DEM ALL" beweist,
dass weder die Titelschmiede noch die Leute, die seinerzeit für die sinnentstellende deutsche Synchronisation verantwortlich waren,
diesen intelligenten Streifen auch nur ansatzweise begriffen haben.
Aber was soll´s? In seinem Original-Kontext ist WHO CAN KILL A CHILD?
ohne Wenn und Aber ein Meisterwerk des Horrorfilms.
Das auf ungewöhnliche Filme aller Art spezialisierte Label BILDSTÖRUNG bringt den Film erstmals ungekürzt auf DVD.
Als Extras gibt's Interviews mit Regisseur Narciso Ibáñez Serrador und mit Kameramann José Luis Alcaine sowie eine separate Audio-CD mit dem Originalsoundtrack von Waldo de los RÃos.
Für aufgeschlossene Horror-Fans dürfte mit dieser Veröffentlichung eine kleine blutrote Sonne aufgehen...