OT: The Last Exorcism
MOCKUMENTARY: USA, 2010
Regie: Daniel Stamm
Darsteller: Patrick Fabian, Iris Bahr, Louis Herthum, Ashley Bell
Der geläuterte Priester (und Noch-Exorzist) Cotton Marcus hat sich nach immer mehr schrecklichen Ereignissen die mit scheinbaren Exorzismen in Verbindung stehen, zur Aufgabe gemacht dem religiösen Schwindel den Gar aus zu machen. Mit einem Kameramann und einer Tontechnikerin/Interviewerin an der Seite, macht er sich auf den Weg zu seinem neusten "Fall", um dem Humbug endgültig zu beenden und weitere letale Folgen zu verhindern. Doch dieser letzte Exorzismus hält etwas anderes für ihn bereit.
KRITIK:Das Genre des Exorzistenhorrorfilms ist in meinen Augen genug bedient. Mal ganz abgesehen davon, dass es wahrscheinlich nie wieder ein Film mit dem Glanzstück DER EXORZIST aufnehmen kann, ist es schlicht unvermeidbar, bei Filmen mit der selben Thematik an die Schreckensmontagen des beinahe 40 Jahre alten Filmes zu denken. Filme wie DER EXORZISMUS DER EMILY ROSE schaffen es nicht zuletzt wegen inszenatorischen Schwachstellen und einem durchwachsenen Drehbuch kaum an das große Vorbild heranzukommen, da die Bilder der Besessenheit stets wie ein billiger Abklatsch wirken. Und mag die betroffene Unschuld in den Filmen auch noch so begabt und überzeugend spielen, an Linda Blairs Performance (in meinen Augen wohl die unheimlichste Darstellung des "Bösen" überhaupt) kommt sie nicht ran.
Der deutsche Film REQUIEM umschiffte diese Problematik, indem der Film seine Tendenzen hinter die Fassaden der Exorzismen lenkte und eher den psychischen Verfall einer Betroffenen schilderte. Klang ganz gut, war aber sterbenslangweilig. Das in anderen Filmen immer wieder kehrende Motiv (CONSTANTINE, REC²) bleibt selbst dort begrenzt genies- und furchtbar, da die Schablone immer umher geistert, sprich, Originalität in diesem Genre beinahe schon als unmöglich gilt. Und wie man es ganz falsch macht kann man dann an dem Sequel/Remake mit dem verheißungsvollen Titlen EXORZIST: DER ANFANG betrachten. Also, was in aller Welt will uns das von Eli Roth eher beworben als produzierte Werk bitte noch zeigen?
Eines vorne weg: der Film ist gut. Streckenweise sogar sehr gut. Das liegt zunächst mal an der von mir soeben benannten Erwartungshaltung und daran, dass Eli Roth anscheinend wenig mit diesem Film zu tun hatte. Also; keine Folterexorzimsen und keine Blutfontänen aus allen Körperöffnungen, THE LAST EXORCISM kommt erstaunlich gesittet daher und zudem noch überraschend stimmmig. Die AB 18 Freigabe, welche rot leuchtend auf dem DVD-Cover prangt, kann man mal getrost als Lockmittel abtun, der eigentlich Film hat eine niedrigere Einstufung erhalten. Aber wahrscheinlich macht sich rot auch schöner auf dem Cover als blau.
Doch jetzt zum Film. Die erste Überraschung des Films war die simple, dokumentarische Art in dem er gedreht wurde. Klar orientiert an Werken wie BLAIR WITCH PROJECT, hält Daniel Stamm an dem mittlerweile hoch im Trend liegende Mockumentary-Stil fest, der schon Filmen wie PARANORMAL ACTIVITY, [REC] und CLOVERFIELD zu "mehr" Authentizität und Horror verhalf. Doch anstatt den Großteil des Filmes ein stressiges Wackelbild zu inszenieren, bleibt die Kamera in den meisten Momenten ruhig, filmt natürlich in dem typischen Homevideostil seine Rundgänge durch das Setting, ist dabei aber kaum störend oder gewöhnungsbedürftig (die typischen Logikfehler á la "Warum tut der Kameramann in dieser Situation eigentlich nichts außer filmen?!" tauchen leider doch ab und an wieder auf).
Dies mag in erster Linie auch daran liegen, dass der Film, in der formidablen ersten Stunde seinen dokumentarischen Charakter auch wirklich ernst nimmt und man mehr Interviews oder Dialoge zu Gesicht und Ohren bekommt als billigen Hokus-Pokus. Das wiederum ist auch die besagte Überraschung und die definitive Stärke von Daniel Stamms Film, denn trotz Vorahnung des gewieften Zuschauers, lässt der Plot stets offen, ob es sich hierbei um ein wirklich übernatürliches Phänomen handelt.
Cotton Marcus, der sich aufgemacht hat, das Trugbild des Exorzisten zu entlarven ist dabei die primäre Figur, auf der sich die Kamera richtet. Das ist zwar in Anbetracht des Kontextes richtig, aber auch ein wenig schade, da seine Kollegen (Tontechniker und Kameramann) wenig zur Geltung kommen und somit eher austauschbare Figuren in diesem Spiel sind.
Stimmungsvoll und klassisch wird dann auch das Szenario der Bessenheit eingeführt: tolle Südstaatenatmosphäre, die stets etwas Unheilvolles mitschweben lässt, lokale Berichte von Dämonen und seinen Residenzen gleich um die Ecke, ein merkwürdiger Einheimischer, der das Team am liebsten zum Teufel schicken würde; der Film lässt sich zum Einem viel Zeit, die Stimmung wachsen zu lassen und zum Anderen macht er dabei viel richtig und verzichtet glücklicherweise vollkommen auf unnötige Schockeffekte.
Ebenso ist es erfrischend einen Horrorfilm zu sehen, der sich zur Prämisse gemacht hat, sein eigenes Genre als Schabernack zu deklassieren. Dies macht nicht nur den Film sondern auch die Figur des Priesters überaus sympathisch. Außerdem macht es irgendwie auch Spaß, sich an den Klischees und Irrglauben des Dämonentums zu ergötzen, oder der Demaskierung der Gruseleffekte beizuwohnen, die wahrscheinlich damals schon William Friedkin benutzte. So spannt Cotton Drähte durch den Raum, erzeugt Soundeffekte und zeigt uns dies, beinahe so, als wären wir in dem Making-Of des Films gelandet.
Noch stimmiger und richtig gruselig wird es dann, nach dem der Scheinexorzismus vollzogen wurde. Plötzlich sehen sich unser Filmteam mit einer Situation konfrontiert, die allen voran der ungläubige Priester nicht angenommen hätte. Der Film bemüht sich hierbei trotzdem stets die Möglichkeit offen zu lassen, dass es für die scheinbar dämonischen Kräfte, die sich im Leib der jungen Nell eingenistet haben, schlicht eine logische, beziehungsweise psychische Erklärung gibt.
Der Film lebt hierbei immer wieder von unserer Erwartungshaltung und unserer Täuschung, da er nicht den Fehler macht, billige Klischees zu wiederholen oder große Vorbilder verzweifelt zu imitieren. Die bemerkenswerten Bilder seines Vorgängers wie den Spiderwalk oder das stumme Starren werden angedeutet, aber nie überstrapaziert. Hierbei hilft auch das bemerkenswerte Schauspiel von Ashley Bell, die eine authentische Darstellung der sogenannten "Unschuld vom Lande" abgibt. Die Figur des Vaters und des Sohnes (get it?) sind im Kontrast dazu dann doch etwas zu überzeichnet dargestellt; der fundamentale und der rebellische Beschützer kontrahieren sich zwar unterschwellig, aber leider kann diese Spannung nie aus den Nieten springen, da der Film ihnen zu wenig Zeit einräumt. Die Figur des überchristlichen Patriarchen lässt dafür aber einen Hauch an Religionskritik und deren Praktiken aufkommen (obwohl der Film von Anfang an bereit ist, seine kritischen Augen über das Prinzip Religion und Ausbeutung kreisen zu lassen).
Alles in allem klingt das doch sehr gut, oder? Nach einer unterhaltsamen, gruseligen und stimmungsvollen Stunde, beginnt der Plot sich dann ebenso effektiv und erschrecken auszurollen, schafft es Reißerisches zu vermeiden und gleichzeitig Effektvolles zu inszenieren. Doch leider beschleicht einem stets das Gefühl, dass der Film in die falsche Richtung zu schlittern droht und man hofft noch auf ein zufriedenstellendes Ende.
Nun, dieses Hoffen bleibt umsonst, den soviel sei gesagt; ich habe schon lange nicht mehr einen solch dummen, unzufriedenstellenden und belanglosen Twist gesehen. Man fühlt sich von dem Film gleich zu Beginn des Abspanns regelrecht ins Licht geführt; vergleichsweise mit einer langen Autofahrt in den Lieblingsfreizeitpark und dann hat dieser Ruhetag. Zwar hält THE LAST EXORZISM über 70 Minuten sein ansprechendes Niveau, jedoch wird durch eine absurde und vollkommen unnötige 360° Wendung alle möglichen Gedanken und Interpretationen, die sich im Verlauf des Filmes gesammelt haben beiseite geworfen, da man lieber auf ein ein billiges (und ach, so dummes) Schockfinale setzte.
Es ist wirklich schade drum, denn der erste Teil von THE LAST EXORCISM ist eine erfrischende Abwechslung und eine interessante Annäherung innerhalb der Grenzen des Genres. So bleibt dann leider nur die Vorstellung an ein besseres Finale und die Erinnerung an einen streckenweise sehr guten Film, bei dem ich mitgefiebert und mich gegruselt, amüsiert und erschreckt habe.
Manchmal ist es schon erstaunlich, wie sehr ein missglücktes Finale einen ansonsten guten Film ruinieren kann. Die Figuren sind gut gezeichnet, die Schauspieler setzen sie gut um, die Story ist nicht neu, wird aber erfrischend erzählt. Die Stimmung und Spannung hält sich bis in die erste Stunde hinein und es ist deswegen allemal wert einen Blick auf dieses kleine Gruselstück zu werfen. Wenn man mit den Fakt leben kann, dass der Film in den letzten 5 Minuten auf seinem soliden Grundgerüst herum trampelt und und es damit zum Einstürzen bringt, kann ich hier von einen durchaus empfehlenswerten Werk sprechen.
PS: Die Trailer zu dem Film sind allesamt unbrauchbar und irreführend, deswegen hinterlasse ich euch die viel wirkungsvolleren Chatroulette-Promos für den Film. Enjoy. ;)