DRAMA: KOR, 1998
Regie: Kim Ki-Duk
Darsteller: Lee Jee-eun, Lee Hye-Eun, Ahn Jae-mo
Das Birdcage Inn ist ein heruntergekommenes Ein-Zimmer-Bordell am Strand der koreanischen Stadt Pohang. Äußerlich als Pension getarnt, sichert es einer Kleinfamilie den Lebensunterhalt. Hier arbeitet die junge Prostituierte Jin-Ah, die vor ihrem gewalttätigen Zuhälter geflohen ist. Im Haus der "Gastfamilie" erhofft sie sich Sicherheit und ein wenig menschliche Wärme. Die Dinge geraten aus dem Lot, als der minderjährige Sohn eine ungesunde Obsession für Jin-Ah entwickelt...
KRITIK:Ein wenig bekanntes Frühwerk von Kim Ki-Duk findet dank des neuen Labels Visimundi seinen Weg in die westlichen DVD-Regale.
Der Regisseur hat bekanntlich ein Faible für Prostituierte als Hauptfiguren, die nicht nur bildhübsch, sondern auch klug, sanftmütig und kunstsinnig sind. Und die all das Ungemach, das ihnen die böse (Männer)-Welt antut, mit stoischer Ruhe und beinahe Lars Von Trier'scher Leidensfähigkeit erdulden. Böse Zungen könnten ja behaupten, dass hier jemand das abgestandene Klischee von der "Heiligen Hure" strapaziert.
Da aber erwähnter Frauentyp in den meisten Werken des koreanischen Filmemachers im Mittelpunkt steht, plädiere ich dafür, das böse Wort "Klischee" durch "Leitmotiv" zu ersetzen. Das klingt doch gleich viel schöner.
Apropos: Schön anzusehen ist der Film tatsächlich. Die vielgerühmte poetische Bildsprache des Regisseurs, die er in Frühling, Sommer, Herbst, Winter ... zur Perfektion trieb, ist auch diesem Frühwerk von 1998 deutlich anzumerken. In kühlen, blau- und grünstichigen Bildern nähert sich Kim seinen Protagonisten, die schwer mit sich und der Welt hadern: Einsamkeit, Kommunikationsdefizite, unglückliche bzw. verunmöglichte Liebe. Soweit, so bekannt.
Anders als in manchen seiner späteren Filme erweist sich Kim hier als erstaunlich versierter Erzähler:
Leerläufe gibt's so gut wie keine, die Story wird spannend, geradlinig und konsequent erzählt.
Dabei gelingt Kim ein treffender Kommentar zur patriarchalischen Ausrichtung der koreanischen Gesellschaft, die die Ideale von Feminismus und sexueller Gleichberechtigung - vorsichtig ausgedrückt - noch nicht ganz verinnerlicht hat:
Der Mann darf sich austoben. Die Frau hat keusch zu bleiben und jungfräulich zu heiraten. Was das Austoben der Männer etwas erschwert. Ergo boomt die Prostitution. Die natürlich offiziell verboten und verpönt ist.
Kim Ki-Duk zeigt die Absurdität dieses Systems am Beispiel einer Kleinfamilie, die an ihrer Verlogenheit beinahe zerbricht: Die Familie lebt von den Einkünften der Prostituierten, die in ihrem Haus wohnt. Doch für die Mutter bricht eine Welt zusammen, als sie erfährt, dass ihr minderjähriger Sohn mit dem Mädchen Sex hatte...
Im Westen hätte man aus diesem Stoff ein zeigefingerschwingendes, sprödes Stück Sozialvoyeurismus gemacht. Das ist Kim Ki-Duks Sache nicht. Der Regisseur erzählt die Geschichte von gesellschaftlichen Zwängen und unterdrückter Sexualität als emotional dichtes Melodram, dessen poetische Bilder die schroffe Härte des Geschehens abfedern. Empfehlung!
Ein spannendes, wie gewohnt sehr hübsch bebildertes Frühwerk von Kim Ki-Duk, das sich des Regisseurs Lieblingsthema Prostitution widmet - und dabei Aufschlussreiches über die koreanische Gesellschaft erzählt. Jetzt gemeinsam mit dem Debut Crocodile im Handel.