SCIENCE-FICTION: USA, 2008
Regie: J.J. Abrahams
Darsteller: Chris Pine, Zachary Quinto, Leonard Nimoy, Eric Bana, Bruce Greenwood
Nero, ein von Rache besessener romulanischer Minenarbeiter, reist bei Versuch Spock, den er für den Untergang seines Heimatplaneten Romulus verantwortlich macht, zu töten, aus Versehen in die Vergangenheit, wo er gleich einmal Kirks Vater tötet und so das Star Trek Universum, wie wir es kennen nachhaltig verändern wird.
KRITIK:Wie lange habe ich auf diesen Film gewartet. Und ich muss sagen, er ist nicht einmal so schlimm wie ich es befürchtet habe. Nichtsdestotrotz halte ich diese Flut an guten Kritiken für etwas übertrieben. Aber schön der Reihe nach. Keine ernsthafte Star Trek Kritik kann gedeihen, ohne sich das Phänomen Star Trek ein wenig genauer anzusehen. Was ist Star Trek? Star Trek ist eine Utopie. Friede, Freude, Eierkuchen. Star Trek zeigt eine Zukunft, in der wir Menschen unsere Natur überwunden haben und in Freiheit, Demokratie und Frieden miteinander leben. Wir lesen gescheite Bücher, philosophieren den ganzen Tag und tauschen uns interkulturell mit mehr oder weniger entwickelten Rassen von anderen Planeten aus.
Unsere Technik ist der helle Wahnsinn und ermöglicht uns ein langes, sorgenfreies und glückliches Leben, mit dem Ziel uns selber zu verbessern. Keine Bestimmung treibt uns, kein determiniertes Schicksal, sondern nur wir alleine in einem Universum, voller Gefahren, dass uns hie und da ein böses Alienraumschiff schickt, das uns die reaktionären oder sonstigen Anschauungen seiner Crew aufzwängen will.
Klingt doch wunderbar? Offenbar nicht.
Star Trek wird verlacht als Kitsch und Langeweile. Während wir der bösen Wissenschaft, wo die Evolutionstheorie womöglich bewiesen hat, dass wir recht simple Lebewesen sind, die auf der Suche nach Sex die unterschiedlichsten Strategien entwickeln, von der Vergewaltigung bis zur Dichtung, nicht so recht glauben wollen und uns nach Illusionen wie dem freien Willen oder mythologisch-theistischen Fantasien hingeben, hat die Kunst immer auf eine brutale Art (pseudo-)realistisch zu sein. Wir mögen solche perfekten Menschen nicht, wir wollen Tiere, die sich betrinken, sich prügeln, wieder versöhnen, durch göttliche Intervention oder sonstigen übermenschlichen Humbug, Hauptsache von äußerer Ursache getrieben, reifen.
Ja, vielleicht liegt darin letztlich die Akzeptanz unserer Natur. Vielleicht sind Star Trek Fans im Endeffekt wirklich ein paar Freaks, die sich mit der Realität nicht abfinden wollen. Aber es gibt sie. Sie sind meistens überdurchschnittlich gebildet, intelligent und naiv und sie haben es gerne, wenn ihre utopischen Fantasien auf der Leinwand Wirklichkeit werden. Es beruhigt sie und regt sie gleichzeitig an. Sie finden an Utopien nichts langweilig.
Aber der Markt diktiert nun einmal das Film und Fernsehgeschäft. Und da niemand von uns sein ganzes Geld in einen Film pumpen möchte, der sich dann als Verlust herausstellt, sollte auch Star Trek ein wenig an den Massengeschmack angepasst werden, wofür man die zur Zeit wohl hippste Aktie Hollywoods engagiert hat: "Lost"-Mastermind und Star Wars-Fan J.J.Abrahams.
Was tut dieser? Er fährt seine Strategie, nimmt Star Trek dadurch seine Qualitäten und ersetzt sie durch seine Eigenen. Die Qualität und eigentliche Stärke von Star Trek liegt im thematischen Überbau. Beinahe jede Episode und jeder Film wirft ein moralisches, philosophisches, sonstiges Problem auf und versucht es zu lösen. Ronald D. Moore hat vor kurzem in direkter Konkurrenz zu J.J Abrahams' LOST mit seiner Serie Battlestar Galactica genau das geschafft. Eine radikale Modernisierung hin zu einem Anti-Star Trek, aber unter Beibehaltung des thematischen Überbaus und somit der gesellschaftlichen und kulturellen Relevanz.
J.J. Abrahams Erzählmuster sind dagegen weitgehend anspruchslos. Bei ihm zählen die Form der Narration und die Entwicklung der Charaktere mehr. Gut, da ein Film aus Zeitgründen nicht mit fünf Staffeln LOST mithalten kann, besticht der Film logischerweise nicht durch eine besonders komplex-verschachtelte Erzählstruktur. Aber die Charaktere haben tatsächlich genügend Platz bekommen. Natürlich in 08/15 Form, aber immerhin. Man ist bei Filmen dieser Größenordnung schlimmeres gewohnt, ich erinnere an den unsäglichen Wolverine.
So kann man sagen, der Film funktioniert. Er ist witziges, bombastisches Blockbusterkino, State-of-the-Art inszeniert und er ist darüber hinaus völlig belanglos. Er hat kein Thema außer vielleicht diesen recht einfältigen Coming-Of-Age-Motiven der beiden Protagonisten. Er hat auch keinen mythologischen Überbau wie Harry Potter oder Star Wars, kann also niemals quasireligiöse Gefühle oder Verbundenheit auslösen. Es ist einfach ein harmloser Unterhaltungsfilm für Zwölfjährige und ihre Väter, die sich die Reminiszenzen und dutzenden Anspielungen aus nostalgischen Gründen sicher gerne anschauen, aber sich sicher langsam wohl zu alt für diesen Scheiß fühlen. Er ist solide und ich wage vorauszusagen, dass er einer der besseren Blockbuster dieses Sommers bleiben wird, wahrscheinlich nur vom nächsten Harry Potter übertroffen. In der Star Trek Reihe ist er der typische Fall eines ungeraden Streifens (Achtung Insider;-) und ist sicher nicht besser als der schwer unterschätzte Nemesis. Eine leicht verdauliche Action-Episode für zwischendurch, die sicher unterhält, aber ich kann es mir nur schwer vorstellen, dass man durch diesen Versuch zu einem großen Star Trek Fan werden kann. Gucci ist eben eine Lebenseinstellung, H&M dagegen ein Mittel zum Zweck. Der Zweck hier ist die gute Unterhaltung. Für zwei Stunden, aber nicht mehr.
An den Massengeschmack angepasster Reboot des Star Trek Franchises, das durch gelungene Anspielungen an das Original, liebevolle Figurenzeichnung und ebensolchen Detailreichtum besticht, jedoch weder genug Tiefe oder Relevanz entwickelt um von alleine das popkulturelle Phänomen Star Trek von neuem in voller Energie zu entfachen.