OT: Gli occhi freddi della paura
GIALLO: ITALIEN, 1971
Regie: Enzo G. Castellari
Darsteller: Frank Wolff, Gianni Garko, Giovanna Ralli, Fernando Rey
Der Film beginnt mit unserem Hamburger Hotty Karin Schubert (EMANUELLE AROUND THE WORLD) in schwarzer Reizwäsche, die ihr ein Fremder mit einem Springmesser vom (damals anbetungswürdigen) Leib schneidet. Doch diese kleine Ouvertüre entpuppt sich als Finte und der vermeintliche psycho-sexuelle Handschuh & Klingen-Giallo verwandelt sich ziemlich schnell in einen waschechten "Böse Eindringlinge im Haus"-Flick. Denn hier hat ein Ex-Häftling noch eine Rechnung mit seinem Richter offen. Gemeinsam mit einem Komplizen entert er des Richters Privatresidenz und nimmt den schwerenöterischen Neffen von Euer Ehren und dessen schöne Clubbekanntschaft (Giovanna Ralli) als Geiseln -
KRITIK:In den 60ern und 70ern Jahren scheint ein ungeschriebenes Gesetz italienischen Regisseuren zumindest einen Pflichtgiallo vorgeschrieben zu haben. Warum? Schauen Sie mal in die Filmographien von Fulci, Martino, Freda, Lenzi, Avati, Lado - Ja, sogar Erotikspezialist und Skandalnudel Tinto (CALIGULA) Brass hat sich in dieser Zeit dem Genre angenähert, aber darüber wollen wir ein anderes Mal reden. Auch der Italo-Westernbeauftragte Enzo G. Castellari, der sich heuer wieder ins Rampenlicht schmuggeln konnte, weil Mr. Tarantino für seine INGLOURIOUS BASTERDS ein bisschen auf Castellaris dreißig Jahre älteren INGLORIOUS BASTARDS zurückgegriffen hat, hat mitgezogen.
1971 gab er sich mit COLD EYES OF FEAR (oder auch DESPERATE MOMENTS) das erste und einzige Mal im Genre die Ehre.Ein Blick auf den Stab rückt die Möglichkeit einer filmischen Enttäuschung in weite Ferne. Frank Wolff ist mit von der Partie und seine Anwesenheit ist ja eigentlich schon die halbe Miete. Der amerikanische Schauspieler zählte nicht umsonst zu den markanten Gesichtern des italienischen Western, Thriller oder Polizeifilms - bis er seiner Karriere eigenhändig ein viel zu frühes Ende gesetzt hat. Wolff hat sich kurz nach seinem Auftritt in Ercolis DEATH WALKS ON HIGH HEELS umgebracht. Das Jahr, in welchem auch COLD EYES OF FEAR gedreht wurde, war demnach auch sein letztes.
Aber nun vom Traurigen zum Schönen: Giovanna Ralli - Kumpels von mir nennen sie auch gerne mal Giovanna Rallig - darf hier ein paar DESPERATE MOMENTS erleben und Maestro Ennio Morricone hat mit Unterstützung von Bruno Nicolai einen abgedrehten Jazzscore auf die Tonspur gezaubert.
Castellari selbst definiert in seinem Werk die genretypische inszenatorische Extravaganz überwiegend mit Zooms und Closeups, die aber dosiert zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang müssen Nahaufnahmen von schwarzen Handschuhen solchen von schwarzen Stiefeln weichen. Aber wie schon festgestellt: Das urtypische Motiv des Giallos - die mordende Gestalt in Schwarz - wird hier gar nicht bemüht. Viel mehr geht es um die Entweihung des sicheren Zuhause; also den klassischen "Intruders in the home"-Flick. Im Gegensatz zu Brüdern-in-der-Ausgangssituation wie THE HOUSE ON THE EDGE OF THE PARK oder LA SETTIMA DONNA begibt sich COLD EYES OF FEAR keinen Meter auf den Sleaze-Pfad. Was bedeutet, dass es von der Ralli lediglich eine verschämte Duschszene und sonst keine nackte Tatsachen gibt.
Dafür gibt es eine Schuld- und Sühnegeschichte, ein paar Nierenschläge, Sprengfallen und den bei Geiselnahmen üblichen Psychokrieg. Bei letzterem kommt es schon mal vor, dass man besorgte Polizisten an der Haustür glaubwürdig abwimmeln muss, um nicht erschossen zu werden oder am Telefon versuchen muss, irgendwelche geschickt codierte Hilferufe abzusetzen.
Dabei sind die DESPERATE MOMENTS nicht nur verzweifelt,sondern auch spannend. Auch wenn im letzten Drittel das Overacting dem richterlichen Domizil einen Besuch abstattet; der Film bleibt trotzdem in der Spur. Wegen jener kleinen "Gerichtsverhandlung" der psychedelischen Art. Und dem packenden Showdown. Am Ende der Geiselnahme wird nämlich nur noch eine Person blutverschmiert, aber aufrecht stehen
Castellaris erster und einziger Giallo beschäftigt sich mit den Themen "Böse Eindringlinge zu Gast in deinem Haus" und Schuld und Sühne. Im Gegensatz zu einigen berüchtigten Exploiter mit ähnlich gelagerten Plots hält sich COLD EYES OF FEAR in Sachen Sleaze völlig zurück, ist aber dafür ziemlich spannend.