OT: La sanguisuga conduce la danza
GIALLO: ITALIEN, 1975
Regie: Alfredo Rizzo
Darsteller: Giacomo Rossi-Stuart, Patrizia Webley, Femi Benussi, Krista Nell
Irgendwann in einem vorigen Jahrhundert: Ein Graf trifft eine Schauspielerin, die seiner verschwundenen Gemahlin zum Verwechseln ähnlich sieht und verliebt sich. Er lädt die Angebetete nebst ihrem Ensemble auf ein auf einer Insel gelegenes Schloss ein. Nachdem es sich die ersten Pärchen im Lotterbett bequem gemacht haben, rollen ein paar Damenköpfe. Übrigens nicht zum ersten Mal in der Familienchronik des Grafen
KRITIK:THE BLOODSUCKER LEADS THE DANCE ist mitnichten ein Imitat im Zuge der gerade grassierenden TWILIGHT/NEW MOON-Seuche, die die ganze Pionierarbeit von Oswalt Kolle und Gerard Damiano mit ein paar Büchern und zwei Kinofilmen mit einem Schlag zunichte gemacht hat. Ja, trotz des transsilvanisch anmutenden Titels ist THE BLOODSUCKER LEADS THE DANCE nicht mal ein Vampirfilm.
Nach Sicht des Streifens hat sich bei mir ohnehin der Verdacht erhärtet, dass der Bloodsucker ein Schreibfehler ist und ursprünglich Titsucker hätte heißen sollen. Denn Alfredo Rizzos in einem vorigen Jahrhundert spielender Giallo entstammt einer Filmperiode, in welcher das Geschlecht der keuschen, sich aufsparenden Vampire noch unter Verschluss in der Krypta der Enthaltsamkeit geweilt hat. Welche Auswirkungen der damalige (freizügige) Zeitgeist konkret auf LA SANGUISUGA hatte; dazu später mehr.
Alfredo Rizzo in Giallo. Dieses Genre hat in den Siebzigern bekanntermaßen ja so manchen italienischen Filmemacher zu künstlerischen Großtaten beflügelt, aber um Rizzo haben die Musen augenscheinlich einen großen Bogen gemacht.
Dabei hätte es so schön werden können: Marcello Giombini, der schon einige stimmige Scores wie etwa die zu MURDER MANSION oder KNIFE OF ICE komponiert hat, stimmt uns mit einem minimalistischen, aber schaurig-schönen Ohrwurm aus seiner Heimorgel gut ein.
Und endlich wurde dem Augenstern Femi Benussi mal mehr Screen Time als sonst gewährt. Meist kam die dunkelhaarige Schönheit in kleinen Opferrollen wie in HATCHET FOR THE HONEYMOON und STRIP NUDE FOR YOUR KILLER ja etwas zu kurz, auch wenn sie im letzteren vor ihrem Schöpfergang noch Saunaturnen mit Nino Castelnuovo (in unmöglicher Badehose) praktizieren und auf einer (lesbischen) Besetzungscouch liegen darf. In THE BLOODSUCKER LEADS THE DANCE spielt sie wie gesagt eine größere Rolle. Welche allerdings auch einen schmierigen "Die Schöne und das Biest im Lotterbett"- Part mit dem bärtigen, hässlichen Schlossknecht (freilich gespielt von Luciano Pigozzi) als bitteren Preis des Ruhms beinhaltet...
Apropos Erotik: Ab Minute 25 ist es Regisseur und Drehbuchautor Rizzo offensichtlich nur noch darum gegangen, alle Beteiligten vor der Kamera in mindestens eine unmotivierte Sexszene zu verwickeln. Die ist dann zwar weder supererotisch noch herausragend sleazy, aber zumindest mal ein Lebenszeichen in der grottenschlecht synchronisierten und mit dämlichen Dialogen angereicherten Langeweile, welche der Tanz mit dem nicht existenten Vampir über weite Strecken darstellt.
Wobei Fleshhounds Obacht geben sollten, denn Redemption hat offensichtlich eine in Sachen Sex leicht entschärfte Fassung des Films auf den Markt gebracht. Zumindest zeigt der Trailer (unwesentlich) explizitere Szenen als tatsächlich im Hauptfeature zu sehen sind.
Aber ob es nun im gräflichen Schloss scharf oder etwas weniger scharf zugeht, ändert nichts daran, dass THE BLOODSUCKER LEADS THE DANCE als Giallo so ziemlich durchfällt. Sämtliche Morde geschehen in Off und einsame Höhepunkte sind die drei Gelegenheiten, bei denen kopflose Frauenleichen aufgefunden werden, wovon zumindest zwei einigermaßen nett makaber drapiert wurden.
Gerettet wird der Film dadurch nicht, weil Rizzo den Karren im wohl anti-spannendsten Finale der Genregeschichte mit Karacho vollends an die Wand fährt. Zum Schluss flüstert mir meine Souffleuse noch das Wort "Anschlussfehler" ins Ohr. Mit welcher Sorgfalt der gelernte Schauspieler Rizzo (BLOODY PIT OF HORROR) bei seinem dritten Film zu Werke gegangen ist, zeigt schon der (sogar im Trailer zur Schau gestellte) größte Bock: Dort sehen wir zunächst das Schloss in einer Außenaufnahme unter strahlend blauem Himmel, während in der direkt anschließenden Szene im Innern des Schlosses Leute mit Kerzenständern in der Hand durch ein nächtliches Kastell wandeln, während vor den Fenstern Blitze durch die Nacht zucken.
In der Geschichte der Menschheit hat die Anwesenheit von knackigen Frauen ja schon so manch miese Party gerettet, aber diese minderbemittelte Ennui von einem Giallo rast trotz Femi Benussi und der späteren MALABIMBA-Sleazequeen Patrizia Webley im Gepäck straight gen Bodensatz. Dann und wann finden sich zwischen Ödnis und unmotivierten Softsexeinlagen mal ein paar abgetrennte Damenköpfe und NUDE FOR SATAN-Regisseur Batzelli spielt im einschläfernden Finale uncredited den Kommissar, aber ansonsten tanzt uns der Etikettenschwindel-BLOODSUCKER nackig den Morpheus. Giacomo Rossi-Stuart, ein Verdienter of Mario Bava-Fame, kann einem in der Hauptrolle nur noch leid tun. Wie ein Schatten seiner selbst taumelt er durch die debile Handlung und blüht nur kurz bei einem knackigen Stelldichein mit Patrizia Webley auf. Hilft aber alles nichts: Wenn der BLOODSUCKER den Tanz führt, sollte man noch schnell das nette Giombini-Titelthema mitnehmen und Patrizia Webleys Obenohne-Szene abwarten, aber dann schleunigst runter vom Parkett.