DRAMA/THRILLER: USA, 2008
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Clint Eastwood, Geraldine Hughes, Bee Vang, Ahney Her
Eine amerikanische Flagge weht trotzig auf Walt Kowalskis Veranda, doch Amerikaner leben schon lange nicht mehr in seinem Viertel. Dafür sind Schwarzafrikaner, Latinos oder Asiaten eingezogen. Walt Kowalski (Clint Eastwood), seines Zeichens Koreakriegsveteran, hasst sie alle. Als eines Tages eine asiatische Straßengang seinen ganzen Stolz, einen Ford Gran Torino Baujahr 1972, aus seiner Garage klauen will, muss Walt handeln…
KRITIK:Nein, diesen Mann möchte man nicht zum Nachbarn haben: Clint Eastwood spielt (oder ist?) Walt Kowalski, ein Reaktionär der ganz alten Schule,
der mit geladener Knarre unter dem Bett schläft, stets einen rassistischen Spruch auf den Lippen hat und die Welt um ihn herum schon lange nicht mehr versteht.
"Reisfresser" und "Bambusratten" ist noch das Netteste, das er seinen asiatischen Nachbarn an den Kopf wirft.
Man fragt sich, ob Eastwood das alles ernst meint. Oder ob der mittlerweile 78-jährige "konservative Rebell des US-Kinos" (Zitat Falter)
jetzt einen auf Selbstironie macht. Die Frage kann mit ja beantwortet werden. Doch der Reihe nach.
Es ist ein ziemlich trostloses Bild, das Eastwood von jenem Land zeichnet, das noch in meiner Schulzeit als "Melting Pot of Nations" bezeichnet wurde:
Armut, soziale Verwahrlosung und Gang-Kriminalität, wohin man blickt. Doch Eastwoods Alter Ego Walt Kowalski will sich damit nicht abfinden und greift zum Gewehr…
und sei es nur, um ein paar Gang-Mitglieder von seinem Rasen zu verjagen. Doch damit tritt er eine Gewaltspirale in Gang, die heftige Kollateralschäden fordert.
Wo wollen wir GRAN TORINO einordnen? Konservatives Sozialdrama? Düsterer Großstadt-Thriller?
Oder einfach nur ein sehr persönliches Alterswerk eines leidenschaftlichen Filmemachers, der seine früheren Paraderollen (remember DIRTY HARRY?)
mit Mut zur Selbstparodie Revue passieren lässt?
Der alte Fuchs Eastwood genießt es sichtlich, das Publikum auf falsche Fährten zu locken: Auch wenn alles danach aussieht - GRAN TORINO
geht eben nicht den bequemen Weg der neuen Selbstjustiz-Welle von so unterschiedlichen Filmen wie DIE FREMDE IN DIR, TAKEN oder gar DEATH SENTENCE.
Im Gegenteil: Im Laufe der Geschichte wird unser grantiger alter Held gezwungen, sich mit seinem - vermeintlich - feindlichen Umfeld auseinander zu setzen
und seine Vorurteile zu überdenken. Aber keine Angst: Eine Hollywood-mäßige Läuterung oder gar ein süßliches Happy End ist bei Eastwood nicht drin.
Dafür wird viel von inneren Dämonen, von Schuld, aber auch von Frieden und Erlösung gesprochen. Die ganz großen amerikanischen Filmthemen also.
Klingt das zu abstrakt? Ist es aber nicht. Darum nur so viel:
Mit GRAN TORINO ist Clint Eastwood ein erstaunliches, spannendes Stück amerikanisches Kino gelungen, das den Zuseher verwirrt, verstört, auf falsche Fährten lockt, eigene moralische Abgründe auslotet und mit einem höchst unerwarteten Ende verblüfft. Ansehen!