ACTION/DRAMA: USA, 2007
Regie: James Wan
Darsteller: Kevin Bacon, Kelly Preston, John Goodman
Der Versicherungsmakler Nicholas Hume (Kevin Bacon) muss die Ermordung seines Sohnes durch eine Straßengang mitansehen. Als ihm klar wird, dass der Mörder mangels Beweise nur eine geringe Strafe ausfassen wird, beschließt Hume, auf eine Aussage zu verzichten und stattdessen das Gesetz in seine eigenen Hände zu nehmen. Kurzentschlossen ersticht er den Mörder - und setzt damit eine Spirale aus Gewalt und Gegengewalt in Gang, die auch seine eigene Familie in Gefahr bringt...
KRITIK:So richtig schön fieses Rachekino ist ja seit langem eines meiner guilty pleasures. Nun sind im Zeitalter von geheuchelter Political Correctness gewalttätige, nicht selten rechtslastige Selbstjustiz-Rechtfertigungsfilme nicht gerade gut angeschrieben. In den Siebziger- und Achtziger Jahren hingegen lockten gewalttätige Machwerke wie Charles Bronsons Death Wish-Serie oder Sylvester Stallones berüchtigte City Cobra die Massen ins Kino.
Natürlich kann ich Selbstjustiz nur im Kino gutheißen - im wirklichen Leben würde das eher unerfreuliche Zustände mit sich bringen - dies nur zur Klarstellung, für den Fall, dass Innenminister Platters Online-Fahnder gerade auf meiner Festplatte mitlesen ...
Nun schickt sich der aus Malaysia stammende Regisseur James Wan an, das umstrittene Selbstjustiz-Genre wiederzubeleben. Wan, der mit dem innovativen Low Budget-Schocker "Saw" praktisch im Alleingang die bis heute nicht abgeflaute Hardcore-Horrorwelle losgetreten hatte, hält sich atmosphärisch eng an die Vorlagen: Eine düstere, farbreduzierte Optik lässt die Metropole Boston kalt und menschenfeindlich wirken.
Die Geschichte wird konsequent und kompromisslos erzählt; Wan lässt seine Protagonisten nach dem guten alten "Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn"-Prinzip gegeneinander antreten. Dabei gelingen dem Regisseur eine ganze Menge an spannungsgeladenen Szenen, wobei der wahnwitzige Zweikampf im Parkhaus als früher Höhepunkt gelten muss.
"Im Krieg glaubt jede Seite, im Recht zu sein. Und am Ende sind alle tot". Für eine tiefschürfendere Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Gewalt und Gegengewalt bleibt freilich keine Zeit; der Film ist auf reißerische Action ausgelegt. Die kann sich aber wirklich sehen lassen! Auch seiner Vorliebe für graphische Splatter-Effekte lässt der Regisseur freien Lauf. Es gibt einige Szenen, bei denen mir die Kinnlade auf Kniehöhe klappte...
Doch Spannung, Action und Splatter galore sind nicht alles.
Richtig gutes Rachekino braucht auch starke Emotionen, um die nicht rationalen Taten seines Protagonisten nachvollziehbar zu machen. Dafür ist Kevin Bacon natürlich der richtige Mann. Bloß hat Bacon die Rechnung ohne den schauderhaften Musikgeschmack seines Regisseurs gemacht. In jeder emotionalen Szene, die nach Stille verlangt hätte, spielt uns James Wan einen seiner Lieblingssongs vor - ganz, ganz furchtbarer Neunziger-Kuschelrock schleimt aus den Boxen und
macht Bacons wie immer eindringliche Performance zunichte.
Beeindruckend hingegen, wie überzeugend Kevin Bacon den physischen und moralischen Verfall seiner Figur verkörpert. Die kreidebleiche, zombiehafte Kampfmaschine, in die sich der Vorzeigefamilienvater gewandelt hat, dürfte in Erinnerung bleiben...
Kevin Bacon sieht rot. "Saw"-Regisseur James Wan lässt das verrufene Selbstjustiz-Genre wieder aufleben. Nice try, hartgesottene Actionfans werden kompromisslos gut bedient (auch wenn zum wirklich guten Genre-Film noch das gewisse Etwas fehlt). Punkteabzug setzt's leider für den erschreckend schlechten Soundtrack.