OT: À l´aventure
EROTIK/DRAMA: FRANKREICH, 2009
Regie: Jean-Claude Brisseau
Darsteller: Carole Brena, Arnaud Binard, Etienne Chicot, Nadia Chibani
Nach einem Schäferstündchen mit ihrem Freund legt sich die junge Diplom-Ökonomin Sandrine rotzfrech auf die Couch und masturbiert. Nachdem die Beziehung wegen unbefriedigendem Liebesleben beendet wurde, kündigt Sandrine ihre Arbeitsstelle, um sich auf die Suche nach neuer Lust und dem Sinn des Lebens zu machen. Erstere verspricht der schmucke Psychiater Greg; letzteren könnte möglicherweise ein älterer lebensweiser Taxifahrer erklären -
KRITIK:Ich muss gestehen, dass ich den ersten beiden HEIMLICHE(n) SPIELE(n) im Rahmen von Jean-Claude Brisseaus erotischer Trilogie um die weibliche Lust bislang nicht beigewohnt habe. Aber da zwischen den HEIMLICHE SPIELE-Filmen nur ein thematischer Zusammenhang besteht und sie ansonsten eigenständige Geschichten erzählen, sollte es kein Problem sein, dass Pferd ausnahmsweise mal von hinten aufzuzäumen.
Brisseau hat beim Casting zum ersten Film der Reihe- HEIMLICHE SPIELE- die Vorsprecherinnen so hart rangenommen, dass es ihm eine Bewährungsstrafe wegen sexueller Belästigung eingebracht hat. Beim Casting zu TEUFLISCHE ENGEL setzte es aus demselben Grund wieder eine Anklage, die allerdings mit einem Freispruch Brisseaus ausging. Im Vorfeld von GEFALLENE ENGEL hat man keine Skandale trapsen hören, was aber nicht verwundert. Denn entgegen der viel versprechenden edlen Hocherotik des deutschen DVD-Covers wird im Film mehr über den Sinn des Seins und die Mysterien des Universums philosophiert als durch irgendwelche Betten gelottert.
Aber natürlich schickt Brisseau seine unbekannten, aber talentierten Darstellerinnen dann und wann zumeist in Dreier-Konstellationen in recht ästhetisch gefilmten Sexszenen und einmal gar in eine kleine Wohnzimmer-S&M-Show.
Allerdings dürfte Kundschaft, die nur auf nackte Haut aus ist, im Fall von GEFALLENE ENGEL mehr mit Spulen als mit Schauen beschäftigt sein. Denn die erotischen Sequenzen sind gegenüber den vielen, vielen Diskussionen über Gott, das Universum und dem Sinn des Lebens klar in der Unterzahl.
Dabei bricht auffallend oft die berufliche Vergangenheit des Regisseurs durch. Der war nämlich mal Schullehrer und das beweist er hier in ein paar Lektionen über physikalische Grundsätze, die ein Taxifahrer (welcher übrigens von dem aus Brad Andersons TRANSSIBERIAN bekannten Etienne Chicot gespielt wird) der süßen Sandrine auf der Parkbank gibt. Flotte Dreier, kostenlose Physiknachhilfe, philosophische Diskussionen - Und weil diese Mischung noch nicht wild genug ist, gibt es dann noch Mystik und Hypnosesitzungen, die am Ende gar in einer waschechten Levitation a la DER EXORZIST nur ohne Erbsensuppe enden.
Aber auf Papier hört sich das alles letztendlich aufregender an als es in Wirklichkeit ist. Denn als Drama funktioniert GEFALLENE ENGEL nicht wirklich, weil zu bemüht intellektuell und nüchtern jeder Anflug von Gefühl sofort tot diskutiert wird und als Erotikfilm erreicht er auch nur bedingt das Klassenziel, weil bestenfalls 10 knisternde Minuten bei einer Laufzeit von 99 Minuten dann doch eine eher dürftige Ausbeute ist.
So bleibt am Ende zu resümieren, dass die Suche nach einer höheren Ekstase in Filmen wie EMANUELLE sinnlicher, in IM REICH DER SINNE Tabu brechender oder in Russ Meyers IM TIEFEN TAL DER SUPERHEXEN irrwitziger ausgefallen ist.
Lob gibt es aber für die natürlich wirkenden, talentierten Jungschauspielerinnen und die feine Fotografie, die, wenn man bedenkt, dass Brisseau Autodidakt ist, noch eindrucksvoller wirkt.
Für ein Drama zu nüchtern, für einen Erotikfilm viel zu gesprächig. Der dritte Teil der HEIMLICHE SPIELE-Trilogie von Jean-Claude Brisseau setzt sich zwischen die Stühle. Die Reise zur ultimativen Lust entpuppt sich schnell als mehr oder weniger interessanter Philosophiediskurs und den recht ästhetisch gefilmten Sexszenen wird zu wenig Raum gegeben.