OT: Ai no corrida
EROTIK/DRAMA: J, 1976
Regie: Nagisa Ôshima
Darsteller: Tatsuya Fuji, Eiko Matsuda, Aoi Nakajima, Yasuko Matsui
Nagisa Oshimas berühmter Film erzählt die tragische - und tragisch endende Liebe von Sada, eine Prostituierten, und Kichi-so - dem Mann der Bordellbesitzerin.
KRITIK:"Wer viele kleine Tode stirbt, stirbt bald auch den großen."
Dieses Zitat meines alten Biologie-Lehrers ist natürlich hochprozentiger Schwachsinn - aber auf so ziemlich jeden sexlastigen Arthouse-Film anwendbar.
Mit Ausnahme des von der Kritik einhellig vernichteten, von mir aber trotzdem geschätzten Films 9 Songs wird Sexualität im Kunstkino nämlich stets als destruktive Kraft gezeigt. So wird es wohl niemanden überraschen, dass auch die "Amour Fou" im Reich der Sinne tragisch - und blutig endet.
Der Film des japanischen Regisseurs Nagisa Oshimas erzählt die - angeblich wahre - Geschichte einer obsessiven Beziehung: Wobei: "Erzählen" ist eigentlich kein zutreffender Ausdruck. Der Film ist nahezu frei von erzählerischen Elementen und reduziert die Lebens- und Liebesgeschichte von Sada und Kichi-so auf den Sex.
Dieser ist selbstredend echt, bedient sich bisweilen einer "pornographischen" Bildsprache (Close-Ups auf Erektionen, Blowjobs etc.).
Erotisch ist der Sexmarathon von Sada und Kichi-so aber nicht unbedingt - eher schmerzhaft und zunehmend bizarr: Ai no Corrida dürfte wohl das einzige Werk der Filmgeschichte bleiben, in dem sich eine Frau ein gekochtes Hühnerei in die Vagina schiebt. Es sei denn, ein Scheiss-mich-nix-Filmemacher (Werner Herzog? Oskar Roehler?) traut sich eines Tages über eine Verfilmung von Charlotte Roches "Feuchtgebiete".
Zurück ins Reich der Sinne: Auch wenn die Sexszenen vorsätzlich unerotisch und unästhetisch präsentiert werden, handelt es sich doch um einen ganz und gar ästhetischen Film: Die Farbpracht, die Kostüme, die Ausstattung, die betörenden Bilder: All das weist in Richtung große Kunst.
Die Zensur war damals freilich anderer Meinung: In Japan wurde der Film sofort verboten und ist bis heute nur in einer um sämtliche Hardcore-Szenen befreiten Schnittfassung zu haben. Auch auf der Berlinale 1976 stellte die Staatsmacht ihre "Kunstsinnigkeit" unter Beweis und ließ den Film als "Pornographie" beschlagnahmen. Aber schon ein Jahr später wurde er ungekürzt freigegeben und mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet.
Der bis heute gültigste Versuch, echte Sexszenen mit echter Kunstambition zu verknüpfen, wurde in den Siebzigern in Japan unternommen: Nagisa Oshimas Film Im Reich der Sinne ist ein unübertroffener, tabubrechender Klassiker. Formal streng und radikal wie in kaum einem anderen Werk der Filmgeschichte wird der Zusammenhang zwischen Liebe, Lust, Schmerz und Tod ausgelotet.