OT: The Mist
HORROR/THRILLER: USA, 2007
Regie: Frank Darabont
Darsteller: Thomas Jane, Marcia Gay Harden, Alexa Davalos, William Sadler
Intelligenter Horrorthriller nach einer Novelle von Stephen King: Anstelle sich auf das eigentliche Grauen, dem namensgebenden Nebel und sein todbringendes Inneres zu konzentrieren, liegt der Fokus in Vorlage wie Film viel mehr auf der psychischen Ausnahmesituation, in der sich die im Nebel gefangen Personen befinden.
KRITIK:Regisseur Frank Darabont haben wir die zwei wohl besten Stephen King-Verfilmungen zu verdanken: "The Green Mile" und Die Verurteilten - klassisch inszenierte, großartige Filme, die in der jüngeren Hollywood-Geschichte ihresgleichen suchen.
So war natürlich auch "Der Nebel" ein persönlicher Hoffnungsträger von mir, endlich wieder eine der Vorlage würdige King-Verfilmung im Kino sehen zu dürfen. Und Darabont hält sich bis auf wenige Ausnahmen in der Tat sehr streng an Kings Vorlage und liefert so einen ungewohnt tiefgründigen Horrorthriller ab.
Nach einem verheerenden Unwetter in einer Kleinstadt nahe Castle Rock brechen die Bewohner am nächsten Tag kollektiv zu Hamsterkäufen auf, um sich mit dem Nötigsten für die nächsten Tage einzudecken. So auch David Drayton (Thomas Jane) mit seinem Sohn Billy. Während des Einkaufs bricht vor dem Supermarkt allerdings die Hölle aus: Militär und Feuerwehr rasen vorbei, Katastrophenalarm wird ausgelöst und ein unheimlicher, dichter Nebel zieht auf. Blutüberströmt stürmt ein Passant in den Laden und berichtet hysterisch von "etwas im Nebel".
Bereits hier wird klar, in welche Richtung sich der Film entwickeln wird: Die nun im Supermarkt verbarrikadierten Menschen beginnen sich bereits jetzt, in einzelne Gruppen zu splitten. Im Wissen um die drohende Gefahr versuchen einige, der Gruppe klarzumachen, in welcher kritischen Situation man sich befindet und man Maßnahmen ergreifen muss, um sich zu schützen. Andere sehen keinen großen Grund zur Panik wegen ein wenig Nebel und wollen den Supermarkt verlassen. Wiederum andere suchen eine Erklärung für die Vorkommnisse in der Bibel - konkret Hobbypredigerin Mrs. Carmody. Doch ihren, von religiösem Wahn besessenen, Predigten schenkt zumindest zunächst noch niemand Gehör.
Doch als Darabont schließlich den Nebel seine Monster preisgeben lässt und einige davon in den Supermarkt eindringen können, beginnt die Situation zu eskalieren. Der Anblick von abgetrennten Körperteilen und urzeitlich anmutenden Rieseninsekten geht nicht spurlos an den Menschen vorüber.
In ihrer Angst und Unfähigkeit, mit der Situation klarzukommen, findet Mrs. Carmody mit ihren stets zur Situation passenden Bibelzitaten immer mehr Zuspruch. Die so immer stärker schrumpfende Gruppe um David Drayton, die versucht, der Gefahr mit rationalem Handeln entgegenzuwirken, erkennt, dass die Situation innerhalb des Ladens nun zunehmend gefährlicher wird als außerhalb im Nebel. Wenn der kollektive Religionswahn ausbricht, ist der Weg nicht mehr weit bis Gott sein erstes Blutopfer von den Sündern verlangt, um ihn zu besänftigen. Eine Expedition zur naheliegenden Apotheke soll der erste Testlauf für eine Flucht werden
Der ungewohnt dialoggetriebene Horror-Streifen ist eine wahre Wohltat - zwar bedient sich Darabont natürlich auch zahlreicher Splatter-Effekte und CGI, doch die eigentliche Handlung findet innerhalb des Supermarktes statt
ein hervorragend zusammengesteller Charaktermix aus einer typischen amerikanischen Vorstadt ist Milieustudie und Psychogramm gleichermaßen. King versteht es in seiner Story wie so oft den Horror bestenfalls als Vorwand für die Erzählung viel tiefgreifenderer Motive heranzuziehen.
Darabont wiederum inszeniert so klassisch wie in der heutigen Zeit nur irgendwie möglich. Schnelle Schnitte, aufregende Kamerafahrten oder andere Spielereien der modernen Filmindustrie sucht man hier vergebens. Durch den intensiven Einsatz von fade-ins und fade-outs zwischen den Szenen nimmt Darabont sogar bewusst Tempo raus, auch wenn der Film dadurch zeitweise höchst angestaubt wirkt. Er versucht so die Aufmerksamkeit des Zusehers mehr in die Richtung der handelnden Personen zu lenken und zu vermeiden, dass das Publikum ständig auf den nächsten Schockeffekt wartet.
Handwerklich muss man dem Regisseur allerdings trotzdem einige Punkte abziehen. Manche Szenen wirken eher patschert inszeniert , genauso manche Dialoge. Auch mangelt es dem Film an wirklichen Charakterdarstellern. Positiv fallen nur Marcia Gay Harden als die fanatische Predigerin Mrs. Carmody auf, die ihre charakterliche Veränderung von der zwar überzeugten, aber doch noch unsicheren "Botschafterin Gottes" hin zur gnadenlosen "religiösen Führerin" sehr wirkungsvoll rüberbringt, und Toby Jones, der den eher unscheinbaren Ladenmitarbeiter Ollie ganz vorzüglich spielt.
Der Rest ist den recht hohen Dramatik-Anforderungen des Films allerdings nicht gewachsen, allen voran Hauptdarsteller Thomas Jane, der zwar solide spielt, aber besonders in dramatischen Szenen einfach nicht überzeugen kann. Entweder er wirkt zu platt, oder er überspielt die Situation derart, dass es ebenfalls wieder unglaubwürdig wirkt. Besonders der - zugegeben gewagte - Schluss des Films, der leider gegenüber dem Buch geändert wurde (dort wurden die Geschehnisse nur als Möglichkeit angedeutet) hat mit seinen ohnehin schon schwer lastenden Logik-Problemen auch noch die Unfähigkeit Janes zu verkraften, diese Situation angemessen rüberzubringen. Man darf hier aber auch Darabont nicht ungesühnt lassen - selbstredend geht das auf seine Kappe.
Es erweist sich auch hier wieder als Fehler, Kings Vorlagen zu sehr zu verändern, vor allem was den Schluss betrifft. Selbst Stanley Kubrick ist daran gescheitert, sein angepasstes Ende von "Shining" machte die halbe, vorangegangene Story obsolet - dass der Film trotzdem großartig ist, sagt aber natürlich alles über das Können dieses Ausnahmeregisseurs aus.
Andere Änderungen gegenüber der Originalvorlage scheinen hingegen durchaus nachvollziehbar und ob des anderen Mediums auch sinnvoll: so ist Mrs. Carmody im Buch um nichts weniger fanatisch, bevorzugt aber eine deutlich "gemäßigtere" Ausdrucksweise. Ein "Wenn ich eine Freundin wie sie brauche, geh ich in die Knie, hocke mich hin und scheiß eine aus" hätte man von Kings Predigerin nicht zu hören bekommen. King hat im Buch aber auch deutlich mehr Zeit, den Charakter und den Wahn der Mrs. Carmody dem Leser näherzubringen, während es für Darabont im Film bei deutlich weniger Zeit deutlich schneller gehen muss, den Grundcharakter für den Zuseher zu umreißen - schließlich ist mit Fortdauer des Films auch noch eine deutliche Charakterentwicklung abzubilden.
"Der Nebel" ist ein ungewöhnlicher Horrorfilm. Der Fokus liegt deutlich mehr auf einer Analyse von Handlungs- und Denkensweisen von Menschen in Extremsituationen und ihrer Beeinflussbarkeit über Manipulationen mit fanatisch-religiösen Weltuntergangstheorien sodass schließlich der Horror außerhalb des Supermarktes diesen durchdringt, ohne dass er dazu überhaupt erst eindringen hätte müssen.
Allein das macht diesen Film sehenswert, auch wenn er in vielerlei Hinsicht nicht an Darabonts frühere King-Verfilmungen heranreichen kann, dazu sind einerseits die Darsteller zu schwach, andererseits hat Darabont bei seiner kompromisslos klassischen Inszenierung durchaus den einen oder anderen handwerklichen Fehler gemacht, wodurch einige Szenen wie erwähnt patschert wirken und die ansonsten glaubhaften Dialoge und Charakterentwicklungen in Mitleidenschaft gezogen werden.
Lieferte mir hier vor kurzem Zimmer 1408 den Beweis, wie sehr man King-Vorlagen auf reinen Horror reduzieren kann (und in der Regel auch tatsächlich reduziert), so haben wir hier das perfekte Gegenbeispiel.