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Das goldene Zeitalter

Das goldene Zeitalter

OT: L'âge d'or
DRAMA/KOMöDIE: FRANKREICH, 1930
Regie: Luis Buñuel
Darsteller: Max Ernst, Lya Lys, Gaston Modot, Lionel Salem

STORY:

Ein Liebespaar versucht erfolglos miteinander Sex zu haben. Und nebenher erfährt der Zuschauer auch noch so einiges über die verkrustete katholische Kirche, die Verlogenheit der Bourgeoisie und den geheimen Zusammenhang zwischen dem Marquis de Sade und einem Herrn namens Jesus Christus.

KRITIK:

Mit DAS GOLDENE ZEITALTER führt Luis Buñuel fort, was er ein Jahr zuvor zusammen mit Salvador Dalí mit EIN ANDALUSISCHER HUND begonnen hatte. Auch dieser Film basiert auf einigen losen Ideen des Regisseurs, die er erneut zusammen mit Dalí zu einem Drehbuch verknüpfen wollte. Allerdings kamen die beiden diesmal auf keinen gemeinsamen Nenner. Und so findet sich im fertigen Film Buñuel zufolge nur eine einzige von Dalí angeregte Szene. Ursprünglich war auch erneut nur ein ca. 20 Minuten langer Kurzfilm geplant. Doch aufgrund einer sparsamen Haushaltung, langte das Budget dann sogar für einen gut eine Stunde langen Film.

Dies sind alles Umstände, die man Luis Buñuels zweitem Film durchaus anmerkt. Zwar finden sich, wie schon im Vorgängerfilm, auch in DAS GOLDENE ZEITALTER zahlreiche geniale Szenen, die in die Filmgeschichte eingegangen sind. Aber dazwischen herrscht, trotz der immer noch äußerst überschaubaren Länge, auch häufiger mal Leerlauf. Auch die Tatsache, dass hier, im Gegensatz zu EIN ANDALUSISCHER HUND, so etwas wie eine Inhaltsangabe tatsächlich möglich ist, zeigt, dass DAS GOLDENE ZEITALTER strukturell weniger radikal als sein Vorgänger ausgefallen ist.

So hat bei DAS GOLDENE ZEITALTER auch der Titel einen leicht zu erfassenden Sinn. Dieser ist zwar erneut alles andere, als ernst gemeint, jedoch nur noch im Sinne einer tiefen Ironie. Die Motive, die in EIN ANDALUSISCHER HUND noch völlig ungefiltert und zusammenhanglos zu einem wüsten Bewusstseinsstrom aneinandergereiht waren, sind hier, bei aller weiterhin vorhandenen Wildheit, tatsächlich zu so etwas wie einer allgemeinen Gesellschaftskritik verknüpft.

Diese Kritik ist dafür umso radikaler geraten: Sie gipfelt in das oben angedeutete gleichermaßen absurde, wie blasphemische Finale. - Und konnte Luis Buñuel bei der Premiere von EIN ANDALUSISCHER HUND seine vorsorglich zur Selbstverteidigung paraten Steine noch wegwerfen, kam es bei einer Aufführung von DAS GOLDENE ZEITALTER tatsächlich zum großen Aufruhr und Skandal. Rechte Jugendgruppen stürmten das Kino, zerstörten das Mobiliar und die im Foyer aufgehängten Bilder surrealistischer Maler und warfen mit Bomben auf die Leinwand, auf der der Film gerade lief!!! - Dieser wurde daraufhin umgehend in Frankreich verboten. Und dieses Verbot wurde erst im Jahr 1981 wieder aufgehoben!!!!!!

Und so kann man mit Fug und Recht behaupten, dass auch DAS GOLDENE ZEITALTER ein Film ist, der einiges bewegt hat. Und auch wenn er nicht ganz an die Brillianz von EIN ANDALUSISCHER HUND heranreicht, so war auch Luis Buñuels zweiter Film seiner Zeit erneut meilenweit voraus. - Tatsächlich war DAS GOLDENE ZEITALTER noch immer so radikal, dass auch Buñuel selbst über 40 Jahre benötigte, um wirklich an diesen anknüpfen zu können. - Diesmal holte er sich allerdings mit Jean-Claude Carrière weiser Weise erneut einen Co-Autor mit ins Boot. Doch trotz des erneut absolut wahnwitzigen Ergebnisses, musste Buñuel diesmal nicht um sein Leben fürchten. Der Film hieß DER DISKRETE CHARM DER BURGEOISIE und gewann im Jahre 1973 den Oscar für den besten ausländischen Film.

DAS GOLDENE ZEITALTER ist soeben zusammen mit EIN ANDALUSISCHER HUND von AL!VE und Pierrot le Fou erstmalig in Deutschland veröffentlicht worden. Die sehr schöne DVD im Schuber bietet einen für das Alter der Filme exzellenten Transfer. Als Extra gibt es die über 90 minütige Dokumentation "A Propósito de Buñuel", die sehr gut den Menschen hinter dem Filmemacher sichtbar macht. Das einzige kleine Manko ist, dass bei keinem der interviewten Personen eingeblendet wird, wer dies jeweils überhaupt sind. Trotzdem ist diese Veröffentlichung insgesamt so schön geraten, dass ich meine alten US-DVDs mit den beiden Filmen nun verschenken werde.

Das goldene Zeitalter Bild 1
Das goldene Zeitalter Bild 2
Das goldene Zeitalter Bild 3
Das goldene Zeitalter Bild 4
Das goldene Zeitalter Bild 5
Das goldene Zeitalter Bild 6
FAZIT:

Der Film DAS GOLDENE ZEITALTER verarbeitet die in EIN ANDALUSISCHER HUND noch wüst durcheinander wirbelnden Motive zu einer halbwegs nachvollziehbare Narration mit einer garstigen Gesellschaftskritik. Das Ergebnis ist künstlerisch gesehen weniger radikal als der Vorgänger. Doch trotz mancher Längen gibt es auch hier genügend absolut geniale Sequenzen, um auch diesen Film zu einem fast gleichermaßen amüsanten, wie unumgänglichen Klassiker der Filmgeschichte zu machen.

WERTUNG: 9 von 10 mit blutendem Auge vorgetragene Liebesbeteuerungen
TEXT © Gregor Torinus
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