DRAMA/SATIRE: A, 2009
Regie: Peter Kern
Darsteller: Helmut Berger, Harry Lampl, Melanie Kretschmann, Manuel Rubey, Heribert Sasse
Auf den Straßen Wiens hetzt eine Nazi-Partei gegen "Neger" und Schwule. Der 16-jährige Alex gerät in die Fänge der rechten Schläger und muss untertauchen. Ein alter Mann mit dunkler Vergangenheit (Helmut Berger) nimmt ihn bei sich auf. Langsam kommen der Alte und der Junge einander näher
KRITIK:"Soziale Wärme statt Woarme." Ich dachte, ich muss gleich kotzen, als mir vor ca. drei Wochen dieses Inserat in der Sonntagspresse entgegen prangte. Wenig später hätte ich mich ohrfeigen können. Eine Film-Werbung, was sonst? Reingefallen. In die Gutmenschen-Erregungsfalle getappt. "Virales Marketing für Dummies" nicht gelesen. Respekt, die Werbekampagne für BLUTSFREUNDSCHAFT war nicht von schlechten Eltern.
Und der Film? Zugegeben, ich kannte kaum etwas von Peter Kern. Vor zig Jahren habe ich seinen "Heimatfilm" 1. APRIL 2021 - HAIDER LEBT gesehen. Der Film kam zu einem Zeitpunkt, als Haider-Erschießungsfantasien gerade sehr en vouge waren. Wir erinnern uns vielleicht an die hysterische Erregung über Gerhard Roths Roman DER SEE oder den legendären Verbal-Ausrutscher von Stermann und Grissemann, der den beiden Entertainern beinahe das Karriere-Rückgrat gebrochen hätte. Nun gut, diese Sache hat sich bekanntlich erledigt.
Peter Kern also. Der letzte freie Radikale unter den heimischen Filmemachern (Zitat Profil). Wer der Mann ist und was er zu sagen hat, lest ihr am besten hier nach.
BLUTFREUNDSCHAFT ist, wie wohl jeder von Peter Kerns Filmen, unter prekären Bedingungen entstanden. Leider sieht man ihm das kaum vorhandene Budget auch ein bisschen an - aber so grottenschlecht, hundsmiserabel und "zum Fremdschämen", wie sich die üblichen Spießer und Kampfposter in diversen Foren ausrotzen, ist der Film nun wirklich nicht.
BLUTSFREUNDSCHAFT ist ein einziges Paradoxon von einem Film - und das ist keineswegs abwertend gemeint. Der Film ist zugleich brutal UND feinfühlig, hyper-realistisch UND surreal, ernsthaft UND polemisch, körperlich UND poetisch, Kunst UND Trash.
Der brachiale Skinhead-Film ROMPER STOMPER mag ebenso Pate gestanden haben wie schwule Coming of Age-Dramen und diverse NS-Parodien. Wenn man Vergleiche ziehen möchte: Peter Kerns Kino ist schwuler als Fassbinder, dilettantischer als Schlingensief und wüster als Franz Novotny - der den Film auch produziert hat.
Traurig nur, dass kaum jemand den eigentlich ur-wienerischen, aus Schmerzen und Leid geborenen Humor des "Hackler-Bohemien aus der Großfeldsiedlung" (Zitat FM4) wirklich versteht. Ich war der Einzige im Saal, dem hin und wieder ein Lachen ausgekommen ist. Über die groteske Dummheit des alten Mannes. Über die kranke Idiotie der jungen Skinheads. Und über die clownesken Nebenrollen: Schon mal Jazz-Gitti als "Päpstin" gesehen?
BLUTSFREUNDSCHAFT ist schwule Lovestory, Schuld und Sühne-Drama und grotesk übersteigerter Nazi-Trash in einem. Sprich: Nicht gerade ein Film für den Massengeschmack mit seiner Konditionierung auf "Logik" und oberflächliche Perfektion. Wer wie ein Spürhund nach Logikfehlern sucht, wird sicherlich schnell fündig. Siehe die oben erwähnten Kampfposter. Wer aber bereit ist, die innere Schönheit eines formal nicht perfekten Films zu entdecken, wird BLUTSFREUNDSCHAFT als lohnenden Kinoabend verbuchen. Allein schon das Wiedersehen mit dem gefallenen Weltstar Helmut Berger ist die Kinokarte wert.
Der Film zur skandalisierten Werbekampagne: Ein keineswegs perfekter, aber wahrhaftiger Bastard aus schwuler Liebesgeschichte und Nazi-Drama mit einer Extraportion politisch unkorrekten Humors. Ein bewußt unintellektuelles Bauch-Kunstwerk, das sich über Demagogen, Aufhetzer und Rechte lustig macht - und prompt von der (Dumm-)Linken hierzulande angefeindet wurde. Sehr österreichisch, das Ganze.
In diesem Sinne: "A echter Österreicher entschuldigt sich niemals. Für nichts und bei niemandem. Vastehst, Kamerad?"