THRILLER: USA, 2007
Regie: David Fincher
Darsteller: Robert Downey Jr., Mark Ruffalo, Jake Gyllenhaal, Anthony Edwards
Basierend auf dem Serienmörder "Zodiac", der tatsächlich in den 70ern sein Unwesen im Raum San Francisco trieb, erzählt dieser Film vielmehr die Geschichte seiner Jäger als die des Gejagten. David Fincher (Fight Club, Se7en) inszeniert überraschend kühl und unspektakulär.
KRITIK:Filme nach wahren Begebenheiten leiden meist an einem von zwei Problemen: entweder sie versuchen die volle Spielfilmlänge zu beweisen, dass sie wirklich auf wahren Begebenheiten basieren (und wirken so mit viel zu dokumentarisch) - oder sie übertreiben es schamlos mit Überzeichnungen und Dramaturisierungen, die dann kleinlaut in den Credits wieder entschuldigt werden.
Phänomenal gescheitert ist an diesem Genre auch Steven Spielberg mit Catch Me If You Can - gerade noch so auf den Beinen gehalten von einem übermenschlichen Christopher Walken. Gleichzeitig ist derselbe Regisseur aber auch für ein Musterbeispiel verantwortlich - Schindlers Liste.
Man durfte also gespannt sein was David Fincher, bekannt für so außergewöhnliche Filme wie Fight Club, im Genre der wahren Begebenheiten zustande bringen kann.
Er hat sich jedenfalls nicht an die einfachste Vorlage gehalten: der Kriminalfall Zodiac, ein Teenie-Pärchen-Serienmörder, hat San Francisco über viele Jahre in Atem gehalten. Ein Happy End - so viel darf man hier verraten - hat es, wie so oft im wahren Leben, nie gegeben. Dadurch hat man sich auch früher schon beim Thema Zodiac die eine oder andere Freiheit bei Verfilmungen gelassen ("Dirty Harry").
Ohne geschnappten Täter fehlt es natürlich an Tatsachen. David Fincher war daher sehr gut beraten, sich in seinem Zodiac-Film nicht unbedingt auf Zodiac selbst zu konzentrieren. Vielmehr verschreibt er sich der Geschichte jener, deren Leben der Killer am meisten beeinflusst hat: das seiner Verfolger. Da hätten wir natürlich den Polizisten Toschi (gut: Mark Ruffalo), den arroganten Journalisten Avery (grandios: Robert Downey jr.) und, nicht zuletzt, jenen Mann, der sich am meisten in den Bann von Zodiac ziehen hat lassen: der Karikaturist Robert Graysmith, wie Avery beim San Francisco Chronicle angestellt und etwas zu klischeebehaftet gespielt von Jake Gyllenhaal.
Fincher verbringt nun den ersten Teil des Films aber durchaus auch mit der großen, unbekannten Figur namens Zodiac. Wir lernen ihn durch seine brutalen Morde ebenso kennen wie durch zugespielte Telefonanrufe bei der Polizei, in denen er seine Verbrechen gesteht. Auch seine Bekennerbriefe, vor allem an den San Francisco Chronicle, verhelfen dem Zuseher, den gesichtslosen Charakter etwas näher kennen zu lernen. Vielleicht näher, als es so manchem lieb ist.
Interessant ist in dieser Phase des Films vor allem der unaufgeregt klassische Schnitt - so gar nicht dem bisherigen Stil des Regisseurs entsprechend. Dies verhilft dem Film zwar durchaus zu mehr Authentizität als so manche überzeichnete Regiearbeit, lässt den Film aber mit seinen vielen Zeitsprüngen um so zerrütteter wirken. So wirklich will sich auch keine Spannung aufbauen, auch wenn man ob der grausamen Morde und der Ungreifbarkeit des Killers mehr als nur ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube hat.
Als die Jahre dahinziehen und trotz zahlreicher Morde und Bekennerschreiben trotzdem jede Spur von Zodiac fehlt, beginnt sich vor allem einer immer mehr für den Fall zu interessieren, angestachelt vor allem auch durch die Rätsel und Codes, die Zodiac immer in seinen Botschaften übermittelt: Chronicle-Karikaturist Graysmith. Anfangs noch eher eine Nebenrolle, beginnt sich Fincher im Laufe des Films immer mehr auf ihn zu konzentrieren. Trotzdem wähnt man sich als Zuseher bereits kurz nach der Hälfte des Films bereits am Ende - von Zodiac fehlt jede Spur, mittlerweile gibt es weder weitere Morde noch irgendwelche Post vom Killer - und wenn, ist ihre Herkunft oft zweifelhaft.
Doch genau dann beginnt der Film erst richtig Fahrt aufzunehmen: als alle bereits resigniert aufgegeben haben, will Graysmith noch nicht die Flinte ins Korn werfen. Er sucht und findet neue Beweise und versinkt immer mehr in seiner persönlichen Jagd, vernachlässigt seine Familie und seinen Job. Spätestens hier wird auch das Publikum an den Film gefesselt, die Spannung steigt teils ins unermessliche, die Besessenheit Graysmiths springt auch in den Kinosaal über.
Entscheidend bei Zodiac ist das Gesamtbild - denn Fincher hat hier auch ein Gesamtkunstwerk geschaffen. In Nachhinein wirkt jede Szene perfekt platziert und ausgearbeitet, erkennt man erst wie tief einem der Film in die Materie hineingeführt hat. Hat man den Film erst mal auf sich wirken lassen, wird einem auch klar, wie wichtig es war, den Film nahezu trocken-seriös zu inszenieren. Fincher mag das Genre des Thrillers mit Filmen wie Se7en in neue Höhen geführt haben - doch mit Zodiac ist es er selbst, der es wieder zurück zu seinen Wurzeln bringt. Er entspringt damit einmal mehr einem Sumpf der Inflation, der sich unweigerlich um jeden Hollywood-Trend bildet.
Ein ungewohnt klassisch inszeniertes Werk von David Fincher. Trotzdem oder gerade deshalb baut der Film mit jeder Minute Laufzeit mehr Spannung auf - und lässt den Zuseher, wider besseren Wissens, auf eine entscheidende Wendung hoffen. Am Ende wird man den Kinosaal nicht ungeschoren verlassen - der Film macht Angst vor den unergründbaren Untiefen menschlicher Seelen - und einsamen Parkplätzen. Zodiac ist viel mehr als ein Thriller - es ist ein äußerst tiefgründiger, dialoggetriebener Film mit sehr viel Liebe und Zeit für Details. Großartig!