KOLONIALDRAMA(?): D, 1996
Regie: Christoph Schlingensief
Darsteller: Udo Kier, Kitten Natividad, Dietrich Kuhlbrod
Ein schwuler deutscher UNO-General (Udo Kier) schenkt einem afrikanischen Diktator Hitlers V2-Rakete, um den amerikanischen Präsidenten zu töten. Unterdessen bringt die jungfräuliche Ehefrau (Kitten Natividad) des Generals ein schwarzes Baby zur Welt, das wegen einer üblen Laune der Natur eine schleimproduzierende Vagina auf dem Kopf trägt und von den Eingeborenen als Messias verehrt wird. Und da war da noch der pädophile österreichische Bischof, der den Papst töten und sein Blut trinken will. Kann Klein-Jesus die finsteren Pläne durchkreuzen und die Welt retten?
Es ist ja grotesk: Seit seiner Krebs-Diagnose wird Christoph Schlingensief selbst von jenen kleinbürgerlichen Kleinformaten umarmt, die ihn vor wenigen Jahren noch am liebsten öffentlich gesteinigt hätten. Mit diesem - ähm - ungeschliffenen Frühwerk könnte sich das aber ganz schnell wieder ändern. Die Vorstellung, dass ein wohlerzogener Redaktions-Praktikant, für den Jim Jarmusch das Limit des Zumutbaren darstellt, vom Chef der Kulturredaktion gezwungen wird, sich UNITED TRASH anzusehen, finde ich jedenfalls ausgesprochen amüsant ...
Vorweg: UNITED TRASH ist kein besonders guter Film. Ich bin mir nicht mal sicher, ob UNITED TRASH überhaupt ein Film ist. Oder "nur" ein eilig hingerotztes Stück Provokationskunst a la Schlingensief: Das Ganze hat exakt gar keinen Sinn, ist auch etwas ermüdend, macht aber Spaß. Zumindest mir ;-)
Versuch einer Einordnung: Dradiwaberl, das Kleine Arschloch und Russ Meyer drehen einen Troma-Film mit Schauplatz Zimbabwe: Blut, Schleim, Kotze und Sperma spritzen bis in die letzte Reihe. Und auch sonst geht's ziemlich fröhlich zu: Unablässig wird getanzt, getrommelt, gekreischt und gebrüllt. Der ohrenkrebserzeugende Soundtrack, der mühelos Dixieland, deutsche Marschmusik und afrikanische Ethnoklänge zu einem dissonanten Brei vermengt, erweist sich dabei als Stimmungsmacher (oder besser: Nervenfetzer) erster Güteklasse.
Mittendrin in der grellen Mixtur aus Urschrei-Therapie und Fäkalkunst-Workshop: Die Stars Udo Kier und Kitten Natividad, bekannt als "Busenwunder" aus diversen Russ Meyer-Filmen.
"Das Drumherum ist wesentlich interessanter als der Film selbst", sagt Christoph Schlingensief. Da hat er recht: Das Interview in der Extras-Sektion der vorliegenden DVD von Senator hat es wirklich in sich.
Christoph Schlingensiefs unter abenteuerlichen Bedingungen in Zimbabwe gedrehte blasphemische Politsatire (naja) UNITED TRASH macht ihrem Titel alle Ehre. Ein Freudenfest für wohlerzogene Bildungsbürger und Freunde des niveauvollen Dialogwitzes. Unbedingt das Interview mit dem Regisseur ansehen!
In diesem Sinne: "He puts whiskey in his pussy!"
Traurige letzte Meldung: Der deutsche Theater- und Filmregisseur Christoph Schlingensief ist tot. Er erlag im Alter von 49 Jahren am Samstag, den 21.8.2010 in Berlin seiner Krebserkrankung. Hier ein würdiger Nachruf.