WESTERN: USA, 2010
Regie: Joel und Ethan Coen
Darsteller: Jeff Bridges, Hailee Steinfeld, Matt Damon, Josh Brolin
Diesmal hat der steckbrieflich gesuchte Outlaw Tom Chaney (Josh Brolin) den falschen Mann erschossen. Denn die 14-jährige Mattie Ross (Hailee Steinfeld) will den Tod ihres Vater rächen und heuert dafür den wenig vertrauenserweckenden U.S. Marshall Rooster Cogburn (Jeff Bridges) an. Gemeinsam mit dem jungen Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon) heften sie sich an die Spur der Gangsterbande. Während Cogburn und LaBoeuf vorrangig am schnell verdienten Kopfgeld interessiert sind, will das Mädchen den Mörder ihres Vaters hängen sehen ...
KRITIK:Eine filmwissenschaftliche Theorie besagt ja, dass nur jeder zweite Coen-Film wirklich gut ist. Springen wir mal kurz zu IMDB und machen wir die Probe aufs Exempel: Blood Simple: Großartig. Arizona Junior: Na ja. Miller's Crossing: Top. Barton Fink: Detto. Hudsucker: Geht so. Fargo: Hervorragend. Big Lebowski: Vielleicht ihr Meisterwerk. O Brother: Nett, originell, okay. The Man Who Wasn't There: Unterschätzt. Intolerable Cruelty: Ein Tiefschlag. Ladykillers: Was ist den Brüdern da bitte eingefallen? No Country For Old Men: Ein sensationelles Comeback. Burn After Reading: Scherzkeks-Film. A Serious Man: Sehr gut. Und jetzt True Grit: Schwieriger, aber sehr großer Film.
TRUE GRIT - der unübersetzbare Titel wurde im Film etwas patschert mit "echte Schneid" eingedeutscht - ist die Verneigung der Coens vor dem klassischen Western-Film, dem wohl amerikanischsten aller Film-Genres. Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman des amerikanischen Autors Charles Portis und wurde bereits in den Sechzigern mit John Wayne verfilmt.
True Grit lässt sich Zeit. Ungeduldige Geister dürften in der ersten Filmhälfte zunehmend unruhig auf ihren Sesseln hin und her rutschen. Slow is the new Fast, werden sich die Brüder wohl gedacht haben: Der Film weigert sich nämlich beharrlich, so etwas wie einen roten Handlungsfaden aufzunehmen. Stattdessen bekommen wir reichlich Gelegenheit, den Figuren einfach zuzusehen - und die dabei besser kennenzulernen.
Nun darf also Jeff Bridges im Wilden Westen den Dude raushängen lassen. Ja, der Mann hat wirklich Schneid' und trifft die zu Schießübungszwecken in die Luft geworfene Schnapsflasche auch, nachdem er sich den Inhalt in den massigen Körper geschüttet hat. Gesellschaft auf dem beschwerlichen Weg durchs God's own Country erhält er von Matt Damon, der eine formidable Premiere im Coen-Universum feiert. Doch den coolen Cowboys wird die Show vollends von der erst vierzehnjährigen Hailee Steinfeld gestohlen.
Trotz großartiger Darsteller fällt TRUE GRIT über weite Strecken in die "Die-Landschaft-spielt-die-eigentliche-Hauptrolle"-Kategorie. Die Art und Weise, wie Kameramann Roger Deakins die kalte, karge, bleiche Winterlandschaft einfängt, hat mir mehrmals die Gänsehaut über den Rücken gejagt.
Was die bisweilen gefürchtete Ironie der kreativen Coen-Bros anbelangt, kann Entwarnung gegeben werden. Schon der Vorgängerfilm A SERIOUS MAN galt als das ernsthafteste und erwachsenste Werk in der 30-jährigen Karriere der Brüder.
Auch in TRUE GRIT reagiert ein fast schon heiliger Ernst, siegen die sinistren Momente über die befreienden Lacher. Und die Geschichte, deren Ausgang selbstverständlich nicht gespoilert wird, mündet im melancholischten Coen-Finale ever.
Respekt für ihre Figuren, großartige Schauspieler, Gänsehaut erzeugende Landschaftsfotographie, Atmosphäre statt Action und ein melancholisches Finale, wie man es von den (ehemaligen ?) Großmeistern der Ironie nicht erwartet hätte: Die Coens haben bei ihrer Hommage an den klassischen Western-Film alles richtig gemacht. True Grit - ein schwieriger, aber sauguter Film.