PSYCHODRAMA: GB/USA, 1998
Regie: Nicolas Roeg
Darsteller: Theresa Russell, Gary Oldman, Christopher Lloyd
Plötzlich steht er vor ihrer Tür: Martin, der verlorene Sohn der attraktiven Hausfrau Linda. Ihr Mann, der angesehene Arzt Henry Henry, nimmt Linda nicht ernst. Lieber spielt er mit seiner Modelleisenbahn und den Krankenschwestern. Wie gut, dass Martin da ist...
KRITIK:Und so kommt, was kommen muss: Der mysteriöse Fremde drängt sich in Lindas Leben, sorgt für Abwechslung im tristen Ehe-Alltag und gefällt sich in seiner Rolle als unheimlicher Stalker, verlorener Sohn und verspielter Liebhaber. Ein nicht ganz ungefährliches Spiel...
Nicolas Roeg, dessen Filme sich laut Wikipedia "im Bereich der Analytik, der Perzeption, Kognition und Halluzination, der Symbolik und der Mystik bewegen", legt mit TRACK 29 seinen möglicherweise - sorry für das aufgelegte Wortspiel - vertracktesten Film vor: Ehedrama, Mystery-Thriller, Gesellschaftssatire, surreale Horror-Komödie - wie immer werden Schubladen lustvoll überladen und Erwartungshaltungen unterlaufen.
Im Grunde ist TRACK 29 ein strenges Kammerspiel für drei Personen, dargestellt von einem blutjungen Gary Oldman (eigentlich ein Gary Youngman - noch so ein blödes Wortspiel), einem wie immer leicht neben der Spur stehenden Christopher Lloyd und Roegs damaliger Ehefrau Theresa Russel als Desperate Housewife mit mehr als nur einem Alkoholproblem
Wer will, darf den von George Harrisons Firma Handmade produzierten Streifen auch als ätzenden britischen Kommentar zum American Way of Life sehen, der sich hier in ausgesucht scheußlichen Inneneinrichtungen, Fitnessbekleidungen und Hausfrauenfrisuren manifestiert. Ganz klar: Linda muss hier raus! Da hilft nur (ironisierte) Brachialgewalt. Dafür verantwortlich ist natürlich Gary Oldman, der in King Kong-Manier die geliebte Modelleisenbahn von Lindas Ehemann zertrampelt, bis das Herzblut spritzt. Doch der Mann hat noch mehr Überraschungen auf Lager, die hier natürlich nicht gespoilert werden
Wie schon das vergessene Handmade-Juwel RAGGEDY RAWNEY hat auch TRACK 29 bei einem Label namens Spirit Media eine lieblose DVD-Veröffentlichung erfahren. Die "Extras" beschränken sich auf dreist aus Wikipedia geklauten Texttafeln. Die Bildqualität liegt auf VHS-Niveau.
Wer die eigentümliche Filmwelt von Nicolas Roeg zu schätzen weiß, bekommt einen souverän fotografierten, spannenden, schwarzhumorigen Psycho-Thriller serviert, den man vermutlich mehrmals ansehen muss, um die Sinnebenen-Vielfalt halbwegs vollzählig zu erfassen. Oder noch besser: Man pfeift auf Analytik und Kognition (danke Wikipedia) und lässt diesen faszinierenden Film einfach auf sich wirken
In diesem Sinne: "Wenn mich meine Erfahrung etwas gelehrt hat, dann die Tatsache, dass Frauen und Züge nicht zusammenpassen!"