DRAMA: CAN, 2008
Regie: Bruce McDonald
Darsteller: Ellen Page, Libby Adams, Ari Cohen
"My Name is Tracey Berkowitz. 15 Years old. An ordinary girl who hates herself.
So stellt sich Ellen Page (bekannt aus JUNO und HARD CANDY) gleich zu Beginn vor.
Tracy gibt sich selbst die Schuld am Verschwinden ihres kleinen Bruders Sonny.
Sie reißt aus dem gefühlskalten Elternhaus aus und macht sich auf die Suche nach ihrem verschollenen Bruder.
Dabei erlebt sie eine bizarre und tragische Odyssee durch eine nächtliche Großstadt
Von einer breiteren Öffentlichkeit nahezu unbemerkt dreht der Kanadier Bruce McDonald seit Jahren kleine, gegen den Strich gebürstete, punk-infizierte Independent-Filme wie ROADKILL, HIGHWAY 61 oder HARDCORE LOGO. Mit TRACEY FRAGMENTS begibt er sich erstmals auf das schwierige Terrain des Teenager-Dramas.
Was sofort ins Auge sticht: Die revolutionäre Bildsprache. Wie der der Titel schon andeutet, wird der Bildsschirm in diverse, sich ständig in Form und Größe ändernde Bildfragmente aufgesplittet. Die an sich ziemlich schlichten, punk-mäßig in nur zwei Wochen Drehzeit auf Digicam gebannten Bilder wurden von drei Cuttern in monatelanger Kleinarbeit zu aufwändigen Bild-im-Bild-Montagen und Splitscreen-Kompositionen zusammengesetzt.
Was sich vielleicht anstrengend oder nach purem künstlerischem Selbstzweck anhört, entpuppt sich als erstaunlich gelungenes Experiment.
Wie der Regisseur im Making Of plausibel erklärt, ähnelt diese filmische Form der Art und Weise, wie das menschliche Gehirn Erinnerungen abspeichert: Non-linear und wild zusammengewürfelt. Fragmentiert eben.
Die Bilderflut von TRACEY FRAGMENTS ist nicht nur sehr hübsch anzusehen, sie illustriert auch die verzerrte Realitätswahrnehmung eines psychisch labilen Teenagers. Ständig wird durch die Zeit, Realitätsebenen, Erinnerungen, Vorstellungen und Traumwelten gesprungen.
Dass die Geschichte selbst ziemlich an die Nieren geht, wird wohl auch niemanden überraschen. TRACEY FRAGMENTS ist kein Wohlfühl-Film, sondern ein eher heftiges Drama um eine junge Frau in einer psychischen Ausnahmesituation. Wer artverwandte Lost Kids-Dramen wie DAS MESSER AM UFER, Dennis Hoppers OUT OF THE BLUE oder Asia Argentos THE HEART IS DECEITFUL ABOVE ALL THINGS zu schätzen weiß, sollte sich das bitte ansehen.
Punk-Regisseur Bruce McDonald fragmentiert deinen Bildschirm und erzählt eine ziemlich drastische Teenager-Leidensgeschichte als künstlerisch avanciertes Experiment in Sachen Split-Screen-Technik. Für aufgeschlossene Cineasten mit multitaskingfähigen Sehnerven.