ROCKOPER: GB, 1975
Regie: Ken Russell
Darsteller: Oliver Reed, Tina Turner, Roger Daltrey, Keith Moon, Jack Nicholson
Seit er als kleiner Junge mit ansehen musste wie sein Stiefvater seinen leiblichen Vater tötete, ist Tommy blind, taub und stumm. Das hindert ihm aber nicht daran, nach einigen Irrungen und Wirrungen, zum gefeierten "Pinball Wizard" aufzusteigen....
KRITIK:1969 veröffentlichten die berühmt-berüchtigten Britrocker von "The Who" ihr Konzeptalbum "Tommy". Es dauerte nicht lange, bis sich Kinoexzentriker Ken Russell (ALTERED STATES, WHORE) der Verfilmung des Stoffes annahm und eine bildgewaltige Rockoper schuf.
Das Ergebnis dürfte Freunden gewöhnlicher Filmkost und absoluter Musicalverweigerer auch heute noch vor den Kopf stoßen. Denn im Gegensatz zu Filmen wie MOULIN ROUGE oder SWEENEY TODD, in denen die Musik und Gesangseinlagen immer wieder in die Geschichte, also den normalen Erzählfluss integriert wurden, wird in Tommy eigentlich ständig gesungen und kaum eine Szene kommt ohne 70s-Musikuntermalung aus.
Bereits die Eröffnungssequenz zeigt wo's langgeht. Ohne dass ein Wort gesprochen wird, zeigt der Film die Liebesgeschichte zwischen Captain Walker und seiner Frau Nora. Dass man als Zuschauer der Handlung trotzdem folgen kann, liegt nicht zuletzt an den bombastischen Bildern, die Russell auf die Leinwand zauberte. Die Bilder dienen mehr als nur der Bebilderung der Lieder, obwohl man hin und wieder schon auf den Gedanken kommen kann ein überlanges Musikvideo anzuschauen. Ein gutes Musikvideo, wohlgemerkt.
Das Herzstück des Films sind nun einmal die Songs, und auch der Aufbau des Films gliedert sich danach. Russell verpackte die Songs in teils psychedelischen Bildern und geizt zudem nicht mit bizarren Einfällen: Ob nun leicht bekleidete Mädchen mit Gasmasken durchs Bild hüpfen, sich ein Schwall Bohnensuppe aus dem TV-Gerät ergießt oder in einer Art Messe Marilyn Monroe angebetet wird, Ideenarmut kann man TOMMY nicht vorwerfen.
Im Gegenteil. Die überdrehten Ideen und bizarren Einfälle dürften das Auge eines herkömmlichen Zuschauers eher überfordern.
TOMMY ist ein Film der die Zuschauer in zwei Lager spaltet, die die den Film lieben und die anderen die ihn hassen. Davon zeugen auch die hitzigen Diskussionen auf IMDB
Und auch die vielen Gaststars, die in TOMMY ihre Aufwartung machen, können sich sehen lassen. Ob nun Elton John im überdimensionalen Schuhwerk "Pinball Wizard" zum besten gibt, sich Tina Turner als Acid Queen präsentiert oder Jack Nicholson seine Künste als Wunderdoktor unter Beweis stellt, der Film ist bis zum Bersten voll mit denkwürdigen Gastauftritten.
Unter all dem Bombast droht die tragische Komponente der Geschichte manchmal schon fast unter zugehen. Dabei werden in Tommy auch immer ernste Themen wie Mord, Mobbing, sexueller Missbrauch oder Konsumkritik angeschnitten. Allerdings stets auf überdrehte, ja teilweise schon groteske Weise.
Bombastischer Trip in die 70er Jahre, gepickt mit überdrehten Ideen und Gastauftritten. Der Film sucht bewusst den Bruch mit herkömmlichen Sehgewohnheiten und mag selbst heute noch befremdlich auf manchen Zuschauer wirken. Doch wer sich auf den Trip einlassen kann, kommt zum Schluss: Tommy rockt!