DOKU: A, 1995
Regie: Ulrich Seidl
Darsteller: -
Menschen der Großstadt. Menschen in Wien. Einsame Menschen. Zwei arbeitslose junge Männer, die irgendwo in Wien in einem Kellerloch hausen und mit ihren Tieren Geld erbetteln. Ein aus dem Gefängnis Entlassener, der auf Kosten seiner Braut ein neues Leben beginnen will. Eine alleinstehende Schauspielerin, die von Männern die Nase voll hat und sich in einen Husky verliebt.
Ein an Asthma erkrankter Frühpensionist, der sein Leben nur noch durch seinen Fernsehapparat erlebt. Zwei in Geldnot geratene, ältere Herren, die auf achtzehn Quadratmetern zusammen leben und seit Jahren auf die Auszahlung einer Erbschaft warten. In Zeiten der Hightech-Gesellschaft, in der Kommunikation so wichtig ist wie nie zuvor, ist menschliche Nähe selten geworden. Hunde, Ratten, Hasen und andere Kleintiere dienen als Ansprechpartner, als Lebensgefährten, Streichelobjekte und Bettgenossen.
(Cover-Text)
"Mehr Kälte, Einsamkeit, Schrecken ist in einem einzigen Film nicht vorstellbar." (FAZ)
"... noch nie habe ich im Kino so geradewegs in die Hölle geschaut." (Werner Herzog)
Diesen Zitaten ist eigentlich nichts hinzu zu fügen. Mit der 1995 entstandenen Dokumentation Tierische Liebe festigt Ulrich Seidl einmal mehr seinen Ruf als einer der kompromisslosesten Filmemacher unserer Zeit.
Ohne Angst vor Tabus, und manchmal hat an der Grenze zur Sodomie entlang schrammend, zeigt Ulrich Seidls Film, wie Hunde, Frettchen, Hasen, Katzen und andere Haustiere den Menschen als Lebenspartner(Ersatz), Streichelobjekte und - angedeutet - als Sexualpartner dienen.
Seidl zeigt wenig Berührungsängste mit den Rändern der Gesellschaft - beinahe das gesamte Film-Personal vegetiert in herunter gekommenen Gemeindebauten dahin, deren tristes Grau offensichtlich auf den Seelenzustand der Menschen abfärbt: Frustration, Verbitterung, Abstumpfung, Wahnsinn, Gewalt und soziale Verwahrlosung in allen Abstufungen bestimmt den Alltag der Menschen.
Dennoch hat man nicht das Gefühl, dass hier jemand die sogenannte Unterschicht vorführt oder gar für die Einschaltquote ausbeutet. Die gleichermaßen zurückhaltende wie geometrisch exakt durchkomponierte Kamerarbeit von Michael Glawogger weist den Film eindeutig als Kunstwerk aus.
Bei Alamode Film hat man offensichtlich Gefallen an Ulrich Seidls schonungslosem Blick auf die Welt gefunden: Nach Models (1998), Hundstage (2001) und Import Export (2007) ist Tierische Liebe bereits die vierte Seidl-Veröffentlichung des engagierten deutschen Labels. Danke dafür!
In seiner vielleicht radikalsten Arbeit wirft Ulrich Seidl einen Blick auf das bisweilen libidinöse Verhältnis des Wieners zu seinen vierbeinigen Freunden - und zeigt dabei mehr Elend, Einsamkeit, Schmerz und Verbitterung, als dem Zuseher lieb sein kann. Harter Stoff - der sich aber wohltuend von der sozialpornographischen Effekthascherei mancher "Unterschichten-TV"-Dokus unterscheidet.