OT: L'orribile Segreto del Dottor Hichcock
HORROR: ITALIEN, 1962
Regie: Riccardo Freda
Darsteller: Barbara Steele, Robert Flemyng
London 1885: Der angesehene Arzt Professor Bernard Hichcock tötet bei einem exzentrischen Liebesspiel versehentlich seine Frau Margaret. Nach diesem Vorfall verlässt er London und kehrt erst nach Jahren mit seiner neuen Frau Cynthia in sein altes Haus zurück. Doch die Dämonen der Vergangenheit lassen das Paar kein Glück finden, und schon bald hat Cynthia das Gefühl, vom Geist der toten Margaret verfolgt zu werden.
KRITIK:Das "horrible Geheimnis des Dr. Hichcocks" ist natürlich seine Nekrophilie, und um diesen Trieb ausleben zu können, eignen sich seine Kenntnisse in der Anästhesie natürlich trefflich. Offensichtlich geschieht diese extreme Form der Liebe aber im beiderseitigen Einvernehmen, denn Margaret lässt sich freudig erregt freiwillig chloroformieren. Riccardo Freda spielt hier nicht nur beiläufig mit einem der stärksten Tabus, sondern er zeigt es, soweit es die Zensur seinerzeit überhaupt zuließ. Natürlich darf diese Liebe nicht glücklich enden, und so stirbt Margaret an der falschen Dosierung eines selbst entwickelten Narkotikums.
Aber ist Margaret wirklich tot? Als Arzt und Erfinder seines eigenen Medikaments müsste er doch wissen, welche Dosierung richtig ist. Oder lebt sie weiterhin im Haus, und sie und Hichcock haben die Illusion ihres Todes und damit ihrer Leidenschaft perfektioniert? Seine neue Frau Cynthia teilt auf jeden Fall die Vorlieben ihres Ehemannes nicht, und es ist zweifelhaft, ob sie überhaupt hiervon Kenntnis hat.
Überhaupt bleiben auch bei Cynthia viele Fragen offen. Wie etwa haben sie sich kennen gelernt? Dr. Hichcock erzählt von einem Unfall und einem darauf folgenden Schock, der noch nicht geheilt ist. Halluziniert Cynthia vielleicht nur? Ist sie überhaupt seine Frau, oder ist sie seine Patientin? Sowohl ihr Verhalten als auch das ihres Ehemannes ergäben dann mehr Sinn.
Riccardo Freda, der zusammen mit Mario Bava mit DER VAMPIR VON NOTRE DAME den italienischen Gothic-Horrors begründet hat, lieferte hier sein Meisterwerk ab, und auch wenn sich der Name des Doktors ohne T schreibt, so zitiert er doch den gleichnamigen Regisseur mehrfach. Ganze Handlungselemente sind offensichtlich aus REBECCA entnommen, die vergiftete Milch finden wir in SUSPICION, die von oben gefilmten Regenschirme in FOREIGN CORRESPONDENT, und natürlich entstammt die nekrophile Liebe aus VERTIGO.
Gefilmt ist das alles sehr atmosphärisch und elegant, dazu kommt eine intelligente Farbdramturgie, kräftig rot ausgeleuchtete Türen und überbelichtete Gesichter zeugen unmissverständlich von Bedrohung. Barbara Steele, die Königin des Genre, wird in manchen Aufnahmen selbst wie ein Phantom gezeichnet, was die Annahme verstärkt, das wir hier keiner rationalen Geschichte, sondern einem Alptraum beiwohnen. Ein Alptraum - und das ist das faszinierende - aus dem uns Riccardo Freda bis zum Schluß nicht entlässt. Das scheinbare Ende lässt mehr Fragen offen als es beantwortet, es ist eigentlich nicht mal ein richtiges Ende, und ganz offensichtlich hat sich Dario Argento Jahre später hieran erinnert und es in SUSPIRIA wiederholt.
Dieses Ende entstand dabei durch puren Zufall. Denn für all die Fragen, die der Film stellt, sah das Drehbuch eine Antwort vor. Jedoch blieb Freda erneut - wie schon zuvor bei den beiden Zusammenarbeiten mit Bava - hinter dem Drehplan zurück. Als deutlich wurde, dass sie es auch diesmal nicht im geplanten Budget und der maximalen Drehzeit schaffen würden, rief Freda seinen Drehbuchautor Ernesto Gastaldi an und fragte ihn, ob sie nicht einfach die letzten 10 Drehbuchseiten weglassen könnten. Für jemanden, der zu nahezu jedem wichtigen italienischen Film zwischen 1960 und 1985 seine Ideen beigesteuert hat, muss die Frage ein Affront gewesen sein, aber hinterher gab Gastaldi zu, dass Fredas Entscheidung den Film erst zu dem gemacht hat, das er heute ist.
THE TERROR OF DR. HICHCOCK ist eindeutig ein formaler und inhaltlicher Höhepunkt des Gothic-Horrors. Gruselige Atmosphäre, großartige Fotografie und ein gewagter Themenkomplex, eingebettet in eine beunruhigende Geschichte, die nicht wirklich aufgelöst wird und gerade dadurch ihre Wirkung erzielt.