OT: I Vampiri
HORROR: ITALIEN, 1956
Regie: Riccardo Freda, Mario Bava
Darsteller: Gianna Maria Canale, Carlo D'Angelo
Ein irrer Mörder metzelt sich durch die französische Metropole, seine Opfer werden völlig blutleer aus der Seine gefischt. Bald fürchtet sich ganz Paris vor dem "Vampir". Dies ist natürlich ein gefundenes Fressen für die Presse, und so heftet sich auch bald der kaltschnäuzige und clevere Reporter Pierre an die Spuren des unheimlichen Mörders. Dabei lernt er eine geheimnisvolle Gräfin kennen, die sich in ihn verliebt...
KRITIK:DER VAMPIR VON NOTRE DAME ist nicht nur das inoffizielle Regiedebüt von Mario Bava, vier Jahre vor dem offiziellen Debüt mit LA MASCHERA DEL DEMONIO (Die Stunde, wenn Dracula kommt), sondern auch die Geburtsstunde des italienischen Gothic-Horrorfilms überhaupt.
OK, eigentlich wird da alles in einen Topf geworfen, was die "Halbstarken" damals ins Autokino zog. Frauenleichen, Rauschgift, Mad Scientists, Inspektoren, Reporter, die auf eigene Faust Detektiv spielen, Geheimhänge, hübsche Tänzerinnen, und ein wenig Vampirismus in Form einer Gräfin auf der Suche nach ewiger Schönheit. Das erinnert entfernt an die Barthory, aber damit erschöpft sich fast schon der Horror, zumindest soweit ihn die Geschichte hergibt.
Irgendwie ist das eine lustige Mischung, die nie so richtig zündet. Der Film wirkt oft mehr wie einer der kurz danach erscheinenden Edgar Wallace-Filme als wie ein Gothic-Horror. Da wird viel geredet, so viel, dass ich teilweise nicht mehr mitkam. Ständig wiederholt der Chef, dass der Reporter jetzt endlich mal 'ne Geschichte bringen soll, die Polizei wiegelt grundsätzlich alles ab und die künftigen Opfer unterhalten sich über Liebeleien. Hartes Brot, einerseits kommt man kaum mit, anderseits passiert aber nicht wirklich was.
Höhepunkt des Films sind eindeutig die Szenen im und am Schloss, sie leben von Bavas wunderbarer Schwarz-Weiß-Fotografie, da wehen die Vorhänge, der Schlosspark wird geheimnisvoll angestrahlt, die Ballszene und die Szene auf dem Balkon stehen meilenweit über den Belanglosigkeiten der übrigen Filmminuten.
Tricktechnisch gibts nichts zu meckern, natürlich ist nicht eine Filmsekunde in Paris entstanden. Gut, der Eiffelturm mitten in der Pampa am Tiber wirkt etwas deplaziert und für jeden, der mal in Paris war, etwas irritierend. Die Notre Dame dagegen ist schon besser, auch wenn die einfach auf Glas gemalt ist. Die Verwandlung zum Schluss wird ebenfalls mit einfachsten Mitteln gezaubert (verschiedene Maskenschichten, die durch abwechselnde Beleuchtungen nach und nach sichtbar werden), aber die Wirkung ist überzeugend.
Nicht nur hier zeigt sich Bavas Können, budgetsparend und einfallsreich zu drehen. Der eigentlich engagierte Regisseur Riccardo Freda warf nach zehn Tagen das Handtuch, weil der den Produktionsvorgaben von maximal 12 Tagen nicht entsprechen wollte. Auf Bitten der Produzenten sprang sein Freund und Kameramann Bava ein und stellte den Film tatsächlich in nur zwei Tagen fertig. Bava schrieb dafür die Geschichte mit heißer Nadel um, vielleicht wirkt auch deswegen manches unausgegoren. Einige Handlungselemente baute Bava jedoch später in seinen späteren Meisterwerken wie LA MASCHERA DEL DEMONIO und OPERAZIONE PAURA aus.
Es wird auch kolpotiert, dass Freda bewusst das Handtuch warf, um seinen Freund Bava eine Chance zu ermöglichen. Die aus der Not geborene Lösung schlachteten die Produzenten jedoch aus. Bava inszenierte in der Folge weitere Filme zum Teil mit - unter anderem die ersten beiden Herkules-Filme - ohne dafür eine Würdigung zu erhalten.
Die Geburtsstunde eines Genres. Ohne DER VAMPIR VON NOTRE DAME hätte es keine Karriere von Barbara Steele als Gothic Lady gegeben. Und ein Film, der bereits deutliche Züge von dem zeigt, was Bava später auszeichnet, auch wenn seine späteren Filme sicher besser sind.