HIPPIEDELICA: DEUTSCHLAND, 1992
Regie: Wenzel Storch
Darsteller: Jürgen Höhne, Hans Paetsch (Stimme), Alexandra Schwartz
Wenzel Storch halluziniert uns die Siebziger im SOMMER DER LIEBE zurück ...
KRITIK:und zwar in Gestalt eines abendfüllenden Films, der wie auf Super 8 gedrehtes Acid wirkt und so ganz nebenbei die wohl irrwitzigste und gelungenste Hommage an Hippies, Schlaghosen, Kotletten sowie psychedelische Musik und Drogen ist, die jemals jemand auf einen Bildschirm gebracht hat.
Um auch nur annährend eine Ahnung davon zu bekommen, was euch (be)im SOMMER DER LIEBE erwartet, müsst ihr euch vorstellen, ihr habt gerade bei extrem guter Laune ein reichhaltiges Ragout an lustigen Pilzen genossen und schon der erste Time Warp schießt euch ca. vierzig Jahre in der Zeit zurück. Eure Welt verwandelt sich in eine schaurig-schön bemusterte Siebzigerjahre-Tapete. Eure Haare werden lang und länger. Bei den Männern sprießen die Kotletten und bei den Frauen lösen sich die BHs unter ihren hautengen gelben Pullis in Luft auf. Von heißen Rhythmen angelockt strömen von nah und fern die Langhaarigen zusammen, um im "Rock Kloster" die Mähnen und das Tanzbein zu schwingen. Später nach einer von Silvester bis Silvester dauernden Party in der Kommune Oleander wird dann gemeinsam - sakral wie sich das gehört - dem Herrgott gegospelt: "Danke für das Kloster und Danke für die Poster!"
Dann erzählt uns eine große Stimme aus den Kinderzimmern der Kassettenkinder (nämlich die des inzwischen leider verstorbenen Hans Paetsch, der auf zahlreichen Hörspielen aus dem Hause Europa zu hören war) die epische Geschichte vom alten, eingefleischten Hippie Oleander, wie dieser im SOMMER DER LIEBE seine Liebe fand.
Und diesen SOMMER kann man unmöglich beschreiben, den muss man selbst erlebt haben. Dies ist der Film, der Drogen überflüssig macht. Halluzinationen, Hirnrissigkeiten und gute Laune quasi als DVD-Präparat. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Oder am besten gleich Wenzel Storch, der diesen völlig überdrehten Irrwitz 1992 auf Super 8 gedreht hat; freilich nicht ohne zuvor sämtliche Sehgewohnheiten eines normalen Kinogängers in eine Haschpfeife zu bröseln und genüsslich zu rauchen.
Damit hat er einen Film geschaffen, den nicht wenige als unerträglichen Trash empfinden werden. Doch ebenso besteht kein Zweifel daran, dass dieses schier unglaubliche Werk sicherlich in viele heimische Kultfilmvitrinen wandern wird. Ob man nun zu null oder zehn Punkten tendiert, spielt eigentlich keine Rolle. Denn es gibt Filme, die schweben auf purpurnen Wolken weit über den gängigen Bewertungs-Maßstäben. Sind null und zehn Punkte gleichzeitig. Wie eben der vorliegende SOMMER DER LIEBE. Das Mittelstück der (nach dem Hauptdarsteller benannten) Jürgen Höhne-Trilogie. Erster Teil war der den Klerus zu Brei bashende DER GLANZ DIESER TAGE; den Abschluss machte Storchs kuriose DIE REISE INS GLÜCK, von der euch Harald schon berichtet hat.
Stichwort: Jürgen Höhne, Jahrgang 1936. Laut Bonusmaterial und Wikipedia ausgebildeter Werkzeugmacher und Fernfahrer im Ruhestand. Wie alle anderen Schauspieler(innen) im SOMMER DER LIEBE ist auch der Star des Films ein Laiendarsteller, der ehrenamtlich für Storch arbeitet. Und der lebende Beweis dafür, dass eine Kultfigur keine Gage braucht, um eine Kultfigur zu sein. Höhne ist Oleander. Mit oder ohne Matte; der Master Hippie! Ganz am Ende personifiziert er sogar Conny Kramer, den "Drogentoten" aus dem ollen Juliane Werding-Hit und sorgt in Front seiner weiblichen Kommunenjüngerinnen für dieses unsterbliche Filmzitat: "Nun reibt euch mit meinem Todesschweiß ein! Das fetzt!"
Stichwort: Wenzel Storch. Der ist mir schon sympathisch, weil ihn der Katholische Filmdienst hasst. Und er wird mir noch viel sympathischer, wenn ich mir die Top 10 seiner Lieblingslieder auf seiner Homepage anschaue.
Wer in seiner persönlichen Hitparade Black Sabbath, den liedermachenden Filmpsychopathen David (LAST HOUSE ON THE LEFT) Hess, Modern Talking. Eminem und - jetzt kommts! - das höchstwahrscheinlich auf einer (Teufels-)Kirchenorgel vom berühmten Satanisten Anton Szandor La Vey eingedeibeltes "Honolulu Baby" vereint, der muss entweder total gestört, exzentrisch oder wahrhaftig göttlich sein. Storch ist wahrscheinlich von allem ein bisschen.
Vor allem aber hat der Mann Visionen. Zwar sind die ziemlich bunt und psychedelisch wie eben im SOMMER DER LIEBE, aber zumindest sitzt jeder Witz. Selbst wenn der Gag nicht gut ist - was häufig vorkommt -, dann ist er wenigstens so entwaffnend schlecht, dass er trotzdem wieder gut ist.
Und wie Storch ohne Budget, doch in liebevollster Kleinarbeit einen dreiundachtzigminütigen filmischen Drogenrausch, der derart charmant die Synapsen bombardiert wie der SOMMER DER LIEBE, zusammengebastelt hat; das nötigt einfach Respekt ab. Ich zumindest hab Augen gemacht. In diesem Sinne höret die Weisheit: "Hörst du Soul, friss Rosenkohl!"
PS: Wer sich den Sommer nach Hause holen will, kann die DVD direkt und exklusiv bei Cinema Surreal bestellen.
"High sein, frei sein, dabei sein": Ein Film wie ein reichhaltiges psychedelisches Pilzragout. Die hippietronische Verbeugung vor Schlaghosen, langen Haaren, Acid Rock, alten Peter Maffay-Hits, schaurig-schönen Tapetenmustern, Menschenfleischwürstchen, sprechenden Igeln, Kommunen und bewusstseinserweiternden Substanzen. Eine aberwitzige wie köstliche Hommage an die 70er. Der SOMMER DER LIEBE - so wie wir ihn uns heute in unseren kühnsten Lachflashs vorstellen .