DRAMA: USA, 2010
Regie: Sofia Coppola
Darsteller: Stephen Dorff, Elle Fanning, Laura Ramsey
Schauspieler John Marco hat alles: Einen Spitzen-Job, einen schwarzen Sportwagen, eine komfortable Bleibe im Luxushotel, Affairen mit aufregenden Frauen. Und eigentlich hat er gar nichts: Keine wirklichen Freunde, keinen Antrieb, nur noch Leere, Apathie und Paranoia. Bis plötzlich seine elfjährige Tochter aus einer gescheiterten Beziehung bei ihm auftaucht und ihn aus seinem Trott reisst ...
... und wer glaubt, dass diese Story auf eine rührselige Vater-Tochter-Geschichte hinausläuft, Konfrontation, Katharsis, Läuterung und Happy End inklusive, kann sich entspannt zurücklehnen. Nichts läge Sofia Coppola ferner.
Zugegeben: Wer die Regisseurin für ihr themenverwandtes, traumwandlerisches Meisterstück LOST IN TRANSLATION oder für den zuckerlbunte Pop-Historiendrama MARIE ANTOINETTE schätzt, wird es mit SOMEWHERE ein wenig schwerer haben.
Eine ungewohnte formale Strenge zieht sich durch den Film, eine gewollte Sprödheit, die das Erzähltempo bewusst mehr als einmal abwürgt und die Geschichte zum Stillstand bringt. Ungeduldige Geister werden wahrscheinlich unruhig auf den Sitzen hin und her wetzen, wenn die Kamera John Marco (grandios: Stephen Dorff) in langen, dialoglosen Einstellungen durch die verschiedenen Stadien seiner Luxus-Depression begleitet: Wie er mit dem Ferrari ziellos seine Runden dreht, wie er beim Sex einschläft, wie er selbst den glamourösen Filmstar-Job als quälende, frustrierende Routine erlebt.
Hört sich das anstrengend an? Ist es aber nicht. Sofia Coppola gelingt nämlich die filmische Königsdisziplin: Von Langeweile zu erzählen, ohne selbst langweilig zu sein. Im Gegenteil, der Film hat etwas, was Kollege Nico einmal treffend als "lethargischen Flow" bezeichnet hat. Mit dem Sound von Phoenix, mit der grandiosen Kameraarbeit und den Alltags-Beobachtungen aus dem Leben eines hedonistischen Jungschauspielers und emotionalen Wachkoma-Patienten wird der Film tatsächlich immer besser, je länger er läuft.
Vielleicht hat es auch geholfen, SOMEWHERE am Ende einer harten Arbeitswoche mit entsprechendem Schlafdefizit und dem dazugehörigen emotionalen Ausgebranntheits-Gefühl anzusehen. Möglicherweise konnte ich dadurch wunderbar mit dem ausgebrannten Hauptdarsteller "connecten", wie man neuerdings so schön sagt.
Ach ja, der Hauptdarsteller. Stephen Dorff. Der einstige Jungstar (BACKBEAT) ist ja leider viel zu selten auf der großen Leinwand zu sehen, das letzte Mal in John Waters wunderbarem CECIL B. DEMENTED. Aber vielleicht gelingt ihm jetzt, mit Ende 30, doch noch so etwas wie ein Durchbruch. SOMEWHERE ist jedenfalls eine klare Empfehlung.
Spröder und formal strenger als bisher erzählt Sofia Coppola in SOMEWHERE von ihren Lieblingsthemen: Von existentieller Verlorenheit und Einsamkeit im Goldenen Käfig. Ein grandioser Hauptdarsteller (Stephen Dorff) in einem Film, auf dessen "lethargischen Flow" man sich allerdings einlassen muss. Aber keine Angst, es lohnt sich!