ROADMOVIE: NO, 2009
Regie: Rune Denstad Langlo
Darsteller: Anders Baasmo Christiansen, Kyrre Hellum, Marte Aunemo, Mads Sjøgård Pettersen, Even Vesterhus
Jomar fristet eine recht trostlose Existenz als Liftwart irgendwo in der norwegischen Einöde. Eines Tages erfährt er, dass er wohl einen unehelichen Sohn irgendwo im Norden hat. Als ihm kurz darauf die Bude abfackelt, beschießt er, seinem Sprössling mal einen Besuch abzustatten. Also nichts wie rauf aufs Schneemobil und ab nach Norden..
KRITIK:"Wo willst du hin?"
"Nach Norden."
"Und wenn du nicht nach Norden kommst?"
"Dann geh ich wahrscheinlich wieder nach Süden."
Liebenswerte, kaputte Verlierertypen scheinen ja Hochkonjunktur zu haben. Zumindest in Filmen. Keine Ahnung ob ich das als Kritik an einer in Lethargie gefangenen Gesellschaft werten soll, oder ob es einfach dran liegt, dass Filme über ganz normale Durchschnittstypen den Machern zu langweilig wären. Wie auch immer, zumindest bei Jomar, den Hauptprotagonisten von Nord, handelt es sich um alles andere als einen Gewinnertyp.
Jomar ist hochgradig antriebslos, leicht depressiv und hoffnungslos dem Schnaps und Tabak verfallen. Obwohl er noch nicht mal die Blüte seines Lebens erreicht hat, scheint für ihn schon alles gelaufen zu sein. Scheiß-Job und psychische Probleme inklusive.
Regisseur Rune Denstad Langlo braucht weitaus weniger Worte als ich, um Jomar einzuführen. Der Film beginnt beinahe ohne Dialog mit langsamen Kamerafahrten. Als Zuseher fühlt man sich sofort in die Tristesse und Enge der norwegischen Einöde versetzt. Es ist eine kalte, beinahe lebensfeindliche Umgebung, in der die Leute Zuflucht in der tröstenden Wärme des Alkohols suchen. Eine Welt in der Männer nicht viele Worte brauchen, sondern ihre Differenzen noch mit Fäusten aus der Welt schaffen. Zumindest auf Jomar treffen die letzen Punkte zu.
Doch sein Leben nimmt eine, für sein Leben dramatische Wende, als er sich eines Tages, mehr oder weniger freiwillig, aufrappelt um das erste Mal seit langem wieder so etwas wie ein Ziel zu verfolgen.
"Weiß sie, dass du kommst?"
"Weiß ich ja selbst nicht."
Dass die Reise alles andere als glatt abläuft, dürfte für den geneigten Filmfreund keine große Überraschung darstellen. Schließlich handelt es sich bei "Nord" um einen waschechten Road-Movie, auch wenn in diesem Falle die Kategorie Offroad-Movie wohl eher angebracht wäre. Und wie es sich für einen solchen Film gehört, trifft Jomar auf einige unerwartete Hindernisse und auf Sammelsurium von Figuren, die noch weitaus skurriler sind als er selbst.
"Oma, da steht ein Mann vor dem Haus."
"Ein Mann?"
Es sind wirklich sonderbare Gestalten, auf die Jomar trifft. Und trotzdem: Eine reinrassige Komödie im Stile von "Aaltra" oder ähnlichen Werken ist "Nord" mit Sicherheit nicht. Stattdessen versprüht der Film etwas leicht Melancholisches, wirkt manchmal etwas schwerfällig und hin und wieder wird er sogar leicht poetisch. Und natürlich blitzt auch ein wenig lakonischer Humor durch.
"Hast du mich nicht rufen hören?"
"Ich hab dich gehört, aber ich dachte wenn ich nicht antworte gehst du vielleicht weiter, aber das hast du nicht getan."
Vor allem ist "Nord" aber ein extrem reduzierter und langsamer Film. In gewisser Weise kann man Nord auch als Auseinandersetzung mit dem Thema Depression lesen, wenn auch bei weitem nicht so opulent und bildgewaltig wie beispielsweise "Winterreise".
Um den Film wirklich genießen zu können, ist eine gewisse Freude an skandinavischen Produktionen, am lakonischen Humor, den sie ausstrahlen und an der leichten unterschwelligen Melancholie, die sie oftmals begleitet, zwar nicht zwingend notwendig, aber durchaus von Vorteil.
"Es ist doch gefährlich wenn du Alkohol und Tabletten mischt."
"Ach was, nein."
"Was passiert wenn du das machst?"
"Nichts, gar nichts. Das ist das Gute dabei."
Beeindruckend ist vor allem die Leistung von Hauptdarsteller Anders Baasmo Christiansen, der den Film nicht nur über weite Strecken alleine tragen, sondern auch mit recht wenig Dialog auskommen muss.
Der Film ist mit Sicherheit etwas gewöhnungsbedürftig, nicht nur aufgrund seiner Langsamkeit und Reduziertheit, sondern auch was den countrylastigen Soundtrack betrifft.
Reduziertes (Off-)Road Movie über einen jungen Mann der auf einer Reise durch den hohen Norden in einige absurde Situationen kommt und auf skurrile Menschen trifft.
Der Film ist mit seinen knapp über 70 Minuten zwar etwas kurz geraten, kann aber mit denkwürdigen Charakteren und leicht lakonischem Humor punkten.