OT: Madeo
DRAMA: KOR, 2009
Regie: Joon-ho Bong
Darsteller: Kim Hye-Ja, Won Bin, Jin Ku, Yoo Jae-moon
Eine Mutter will die Unschuld ihres Sohnes in einem Mordfall eines jungen Mädchens beweisen und ermittelt auf eigene Faust.
KRITIK:Eine endlos unberührte goldene Grasebene, ein Wind streicht darüber und eine ältere Frau in violettem Seidenkleid kommt träumerisch auf uns zu. Und wiegt sich zur Musik und tanzt. Die Gesichtszüge gelöst von Sorgen und als wäre es schon lange her, ein Lächeln. Man fragt ob ein Thriller so enden kann, hat man doch erwartet, dass dieser hoch gelobte Film einer ist. Aber schließlich folgt die Titeleinblende
Wieder einmal wurde, und das festigt die Legende, Hitchcock hergeleitet. "Ein Meisterwerk, wie es dem Altmeister gefallen würde"; amerikanische, europäische Kritiker überschlugen sich vor Lob und, dass "Madeo" (der Originaltitel) in Korea auch an den Kassen ein Erfolg war, das kann man nach Erfolgen des Regisseurs Joon-ho Bong getrost erwarten.
THE HOST wurde bald schon Kult (der zweite Teil lässt nicht mehr lang auf sich warten), Memories of Murder gehört zu den Thrillern, die mit Chan Park Wooks hier in Europa ähnlichen Erfolg sowohl bei den Kritikern, aber auch bei den Genreliebhabern feierte. Wer Thriller liebt und schätzt, der verhungert mit europäischer Ausbeute und verschmäht amerikanische Massenware erst Recht. Asien liefert jährlich beachtenswerte Vertreter des Genres und Korea hat mit seinen Spezialisten nicht nur Künstler, die sich mit der Materie (Lodger bis Blood Simple) auskennen sondern dazu noch welche, die ihrem Ursprung, ihrer Kultur, den Problemen ihrer Gesellschaft in ihren verstörenden Werken eine Rolle geben und deren Porträts uns amerikanisierten Konsumenten eine faszinierende Abwechslung bieten.
Ja, Vergleiche zu Hitchcock sind berechtigt, immerhin sind Parallelen etwa zu PSYCHO deutlich erkennbar. Es geht schlicht um eine außergewöhnliche Mutter-Sohn Beziehung und Joon-Ho Bong gibt offen seine Inspiration Preis: "Ich habe mir vorgestellt, wie die Mutter-Sohn-Beziehung aussehen könnte, wenn die Mutter noch am Leben wäre. Ich wollte sie als dunkle, destruktive Person zeigen - gleichzeitig sollten die Zuschauer sich mit ihr identifizieren können."
(Joon-ho Bong Interview Spiegel Online)
Und es gelang ihm vorzüglich. Mit Hye-ja Kim hat er eine Frau gefunden, die ihre Rolle ausfüllt, als wäre sie die olympgesandte Hera und titanenhaft besessen von ihrem einzigen Sohn, nichts sonst als die überirrdische Sorge um ihn fließt und pulsiert in ihrem welken Körper. Da kann sich nur wenig an dieser Darstellung messen. Hätte sie den ganzen Film lang einen fahrenden Zug zum Stehen bringen müssen, und das barfuss, sich gegen stemmend nur um in ihrer Rolle den Sohn zu retten, ich hätte nicht lieber zugeschaut.
Aber zum Glück entspinnt sich ganz unaufgeregt und immer wieder erheiternd ein Krimi, bei dem, wie auch schon bei Memories of Murder die südkoreanische Provinz-Polizei nicht unbedingt gut davon kommt. Müde, tollpatschig, ungeduldig, rabiat gleichen sie Vollstreckern ohne Justiz und nicht nur einmal endet es damit, dass ein Kopf davon rollt.
Aber,bei diesem Film kommt ohnehin keiner und nichts gut weg, sei es die verzweifelte Mutter selbst, die inzestiöse Beziehung zu ihrem Sohn, die Upper-Class-Gesellschaft auf ihrem Golfplatz oder auch das uniformierte koreanische Schulmädchen... - mögen die Szenen noch so von den Figuren handeln, irgendwo blitzt immer das sozialkritische Augenzwinkern durch und schließlich erkennt man wieder diese Nähe zu der fremden Kultur ...
Eine Anekdote zum Schluss; Joon-ho Bong erzählt nicht von ungefähr von einer zerstörerischen Beziehung zwischen Mutter und Sohn, diese sind in Korea, wie er berichtet, vorhanden, wie es sie auch im dafür belächelten Italien gibt. Nun jedenfalls hat seine Mutter den Film gesehen und er findet es immer noch merkwürdig, dass sie auch nach einem Jahr nicht über sein "Madeo" geredet haben.
Bei dieser Anekdote blüht diese erste wunderschöne Einstellung in meiner Erinnerung auf. Die einsam tanzende Mutter, losgelöste, geborgen in der unberührten Fremde.
Ein faszinierend inszenierter Psychothriller, verstörend, erheiternd, auf jeden Fall erfrischend anzusehen.