OT: MR73
POLIZEIFILM NOIR: FRANKREICH, 2008
Regie: Oliver Marchal
Darsteller: Daniel Auteuil, Olivia Bonamy, Catherine Marchal, Philippe Nahon
Nach einem Autounfall ist die kleine Tochter des Kriminalpolizisten Schneider tot und seine Frau vegetiert mit schwerem Hirnschaden in einem heruntergekommenen Pflegeheim. Aus Schneider ist ein Schnaps saufendes, blasses Wrack geworden, welches nach einer Zechtour im Suff auch mal einen Linienbus entführt. Nur seinen früheren Verdiensten in der Mordkommission ist es zu verdanken, dass er nicht im Gefängnis, sondern nur strafversetzt im Innendienst landet. Dort hält noch seine Vorgesetzte, mit der er einst eine Affäre hatte und die nun von Schneiders Kollegen und Intimfeind Kowalsky gebumst und geprügelt wird, ihre schützende Hand über ihn, doch es zeichnet sich immer mehr ab, dass Schneider eine tickende Zeitbombe ist, die sich nicht mehr entschärfen lassen wird. Und als er unerlaubt weiter in einem Fall von brutalen Frauenmorden ermittelt und sich zusätzlich die frühzeitige Entlassung des grausamen Serienkillers Subra, den Schneider vor vielen Jahren ins Gefängnis gebracht hat, anbahnt, kommt es zur Explosion …
KRITIK:Wenn ihr denkt, dass eure Laune zu gut und euer Optimismus viel zu groß ist, dann empfiehlt sich MR 73 als der ultimative Downbringer. Marchals Rückkehr zum französischen Polizeifilm führt uns geradewegs in die finstersten Abgründe urbaner Hoffnungslosigkeit.
125 Minuten geballte Depression. Ein tristes, regnerisches Fegefeuer zwischen Schnapsflaschenhals und quälenden Erinnerungen. Ein Tablett an zerstörerischen Schicksalsschlägen und triumphierender Ungerechtigkeit.
Ein ganz rabenschwarzer Abstieg in die urbane Hölle. Mehr noir geht kaum, wenn unser Polizist und Hauptprotagonist Schneider (grandios kaputt: Daniel Auteuil) mit voll gepissten Hosen in der Ausnüchterungszelle dämmert, während zeitgleich der durch und durch böse Serienkiller Subra (grandios grausam: Philippe Nahon) im Gefängnis den geläuterten Sünder markiert und sich seiner frühzeitigen Entlassung wegen guter Führung entgegen betet. Oder wenn sich Ermittler und Spurensicherer in der Tiefgarage des Polizeipräsidiums gegenseitig Schmuckstücke verschachern, die sie zuvor von Tatorten entwendet haben.
Im Drehbuch von MR73 finden sich zwar gleich zwei Handlungsstränge mit Serienkillern - zum einen der mit dem Frauenmörder, der vergewaltigt, foltert und brutal tötet und der andere mit dem auf seine vorzeitige Entlassung hinarbeitende Subra im Gefängnis -, aber die Thrillerkomponenten stehen hier nicht im Vordergrund. MR73 ist in dieser Hinsicht mehr TAXI DRIVER als SIEBEN. Marchal legt den Fokus auf die seelischen Tragödien seiner Protagonisten. Dabei beschränkt er sich auf eher nüchterne, triste Episoden, die dann allerdings aussagekräftig genug sind.
In MR73 hat das Gute nichts zu lachen. Während ein alles andere als geläuterter Mörder erfolgreich seine Entlassung aus dem Gefängnis bewerkstelligt und korrupte Polizisten mit allem durchkommen, gibt es für alle anderen kaum Hoffnung. Die Eltern, die ihre Tochter wegen eines sinnlosen wie barbarischen Verbrechens verloren haben sind für immer gebrochen. Das gleiche gilt für Schneider.
Und scheinbar auch für die andere Hauptfigur des Films. Das ist eine junge Frau, die als Kind mit ansehen musste, wie der Gewaltverbrecher Subra ihre Eltern getötet hat und die noch immer traumatisiert ist. Sie fürchtet den Tag, an dem man den Killer frühzeitig entlassen wird. Und das zu Recht. Denn auch der Mörder hat in den Jahren seiner Haft das kleine Mädchen von damals nicht vergessen …
Obwohl Oliver Marchal die Szenen dieser französischen Großstadthölle gekonnt trist und düster zeichnet, kann man sich sicherlich darüber streiten, ob MR73 nicht zuviel des Guten (respektive Schlechten) auftischt.
Ob MR73 in seinen freudlosen, nach Schnaps und Tod stinkenden Bildern den Pessimismus nicht etwas zu besessen zelebriert. Andererseits sollte klar sein: Wer einen Gute-Laune-Flick oder einen Thriller, der nicht wehtut sucht, ist bei Marchals aktuellen Bullenfilm ohnehin an der falschen Adresse und muss sich gen Hollywood wenden. Auch wenn uns MR73 nach einem radikalen Endspurt wenn nicht einen Hoffnungsschimmer, so doch eine neue Chance gönnt.
Marchals MR73. Ein französischer Bullenfilm - schwärzer als Noir!