OT: To Live and Die in L.A.
THRILLER: USA, 1985
Regie: William Friedkin
Darsteller: William Petersen, Willem Dafoe, John Pankow, Debra Feuer
Eric Master ist zwar der Polizei von L.A. schon hinlänglich bekannt, doch konnte ihm bislang noch niemand das Handwerk legen. Auf ein Neues macht sich Detective Richard Chance gegen Master stark, nachdem dieser Richards Kollegen getötet hat.
KRITIK:In bester Tradition von French Connection ist auch William Friedkins zweiter Ausflug ins Polizeithriller-Genre eine brutale, zynische und in eine authentische Atmosphäre eingelegte Charakterstudie über einen impulsiven und gewaltbereiten Gesetzeshüter. Was zunächst wie ein klassisches Revenge-Movie beginnt, entlarvt sich schnell als kunstvolle Zerstörung des Mythos vom vorbildlich gesetzestreuen Polizisten. Dabei bezieht Leben und Sterben in L.A. zuallererst tatsächlich seine, am konventionellen Rahmen gemessen, enorme Suggestivkraft aus der Entmystifizierung und zugleich aus dem Bruch der Konventionen des klassischen Cop-Vs.-Gangster-Thrillers.
In einem unverkennbaren 80er-Jahre-Style leitet Leben und Sterben in L.A. mit zwei, drei sachte mit den Begebenheiten vertraut machenden Szenen die beiden Hauptpersonen, die als Ermittler gegen Geldfälschung fungieren, ein, von denen schon nach wenigen Minuten der ältere, mit großen Schritten auf seine letzten Tage zugehende Mann getötet wird. Das daraus resultierende Ende einer langjährigen Freundschaft zwischen Richard und Jimmy nutzt Regisseur und Drehbuchautor Friedkin geschickt als Aufhänger, um exemplarisch die psychische Belastung Richards als Polizist bzw. als Ermittler vorzuführen.
Der Verantwortliche für dieses Blutbad ist ein aalglatter, mit abschreckender Skrupellosigkeit gesegneter Geschäftsmann, der stets alles aus dem Weg zu räumen weiß, was ihm später zum Verhängnis werden könnte. Als dieser, Eric Master, anfangs auffliegt und sich gezwungen sieht, alles stehen und liegen zu lassen, fackelt er keine Sekunde, seine Arbeitsutensilien und Druckplatten samt dem kompletten Lagerhaus, in dem er sich eingenistet hatte, niederzubrennen. Vergebens versucht Richard Master mit den Vorteilen, die er als Beamter hat, dingfest zu machen. Einen ehemaligen Handlanger macht er ausfindig, den er dazu bringen will, gegen Master auszusagen.
Sein einfacher Plan geht schief und als er keinerlei Überlegenheit mehr aus seiner Position schöpfen kann, nimmt er mit seinem neuen, noch unsicheren Partner einen Überfall in Angriff, der den beiden ermöglichen soll, dass sie sich vor Master als Käufer ausgeben können.
Das Abdriften zur gesetzwidrigen Seite eines desillusionierten Einzelkämpfers fasste William Friedkin schon 1971 in seinem mit fünf Oscars prämierten Meisterwerk French Connection ins Auge. Er macht hier keinen Hehl draus, dass Leben und Sterben in L.A. eine ganz ähnliche Geschichte erzählt, mit vielen identischen Handgriffen in Sachen Umsetzung und Inszenierung. Wenn in diesem Geschäft ab und an mal mehr oder wenig leichtsinnig Observierungen vermasselt oder wichtige Zeugen entkommen lassen werden, zeigen uns beide Filme den Polizisten als Menschen, nicht als Helden. Nichts bleibt bei Friedkin übrig, von den Mythen und zweifelhaften Darstellungen des klassischen amerikanischen Polizeifilms: Der Heldentypus Polizist, wie wir ihn in diesem Genre nur allzu oft präsentiert bekommen haben, ist hier schon längst auf den Straßen umgekommen.
Im Gegensatz zu Master, der gerade zu prädestiniert als Verbrecher wirkt, ist Richard nicht einfach nur ein Polizist, sondern das Produkt der Gesellschaft und deshalb auch das Produkt des Los Angeles, welches uns hier vor Augen geführt wird. Er ist ebenso tough wie verbissen und strebt mit all seinen Fähigkeiten einen Niedergang des geschäftlich erfolgreichen Masters an. Dass letztendlich der einzige funktionale Weg seiner Methoden über Leichen geht, liegt eher weniger an seiner kriminellen Ader, als an den Einschränkungen, die ihn als Ermittler bei seiner Arbeit behindern.
So gesehen clever erscheint dann auch der Schachzug, dem Antagonisten ebenfalls gut eine Handvoll Szenen, die besonders seine gnadenlose Gewaltanwendung ins Auge fassen, zu spendieren. Wenn dann beispielsweise Richard mit seinem neuen Partner einen vermeidlichen Verbrecher ausrauben will, um an das nötige Geld zu gelangen, mit dem er sich dann hinterher bei Master als Käufer ausgeben kann, erzählt Leben und Sterben in L.A. auch von der oftmals überschätzten moralischen Diskrepanz zwischen Gangster und Cop und zeigt zudem, aus welch ähnlichem Holz Richard und Master eigentlich geschnitzt sind.
Vom ersten Drittel abgesehen, das freilich noch etwas hätte komprimiert werden können, leistet Friedkin souveräne Arbeit: Schlüssig, stellenweise mit ungewöhnlich gefilmten, furiosen Verfolgungsjagden pointiert, entfaltet sich die Geschichte Stück für Stück. Ein tragendes Detail für diese ist die Beziehung von Richard zu seiner Freundin, die für ihn sowohl jemand ist, der er vertrauen und ihr seine Gefühle gegenüber zeigen kann, allerdings immer auch eine Kriminelle darstellt, die er unter Druck setzen muss, damit sie bei ihm bleibt und ihm auch Informationen zukommen lässt.
Das Polizistsein scheint für Richard nicht nur ein Mittel, oder besser gesagt: einfach nur sein Job zu sein, den er hat, um sich seine Brötchen zu verdienen. Sein fragwürdiges Halten mit den Gesetzen und antipathisches Auftreten hat sich auch zu seiner Alltagseinstellung entwickelt. So wirkt seine Freundin beinahe wie eine Gefangene, die er voll und ganz in seiner Hand hat. Sein neuer Partner, John, der noch nicht lange im Geschäft sein kann, scheint sich zunächst noch nicht gut mit den harten Arbeitsmethoden von Richard arrangieren zu können. Von Szene zu Szene passt er sich besser an und legt die Härte an den Tag, die scheinbar notwendig ist, um das "Gesindel" in den Straßen Los Angeles zu beseitigen. Der Cop in Leben und Sterben in L.A. macht damit nichts Geringeres als sich auf Augenhöhe des Verbrechers zu begeben.
Getragen wird dieses ambitionierte Projekt, dieses konventionell unkonventionelle Duell, das abschnittsweise einen ganz und gar fatalistisch anmutenden Ton anschlägt, von seinen beiden gelungen aufgelegten, superben Hauptdarstellern. William Petersen grimassiert den verbitterten Ermittler Richard sparsam, zwar Image typisch, aber mit phänomenaler Ausdrucksstärke und legte damit den Grundstein für den wenig später von ihm in Angriff genommenen Manhunter. Nicht minder imposant fiel auch die Darstellung Willem Dafoes aus, der als finsterer Eric Master einen ebenbürtigen Part als Antagonist ausfüllte.
Ausladende, abweisende Bilder; Figuren, dessen Verhalten fragwürdig erscheint und dessen Auftreten unsympathisch ist - damit formuliert William Friedkin nach French Connection ein zweites Mal die Gegenthese zum klassischen Polizei-Thriller. Und was für ein zynisches, aber gerade deshalb so passendes Ende Friedkin für diese Geschichte gefunden hat!