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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Laurin

Laurin

MYSTERY: DEUTSCHLAND, 1989
Regie: Robert Sigl
Darsteller: Dóra Szinetár, Károly Eperjes, Brigitte Karner, Hédi Temessy

STORY:

Anno 1901 verschwinden in einem düsteren, norddeutschen Küstenort immer wieder Jungen. Nach dem mysteriösen Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden ihres besten Freundes Stefan findet die kleine Laurin mit Hilfe einer übersinnlichen Gabe heraus, wer sich hinter der Maske des unheimlichen Knabenfängers verbirgt.

KRITIK:

Viel wurde ja schon gemunkelt über diesen gotischsten aller deutschen Fernsehfilme. Vieles hat man gelesen in den dunklen Ecken der Filmdatenbänke und im finsteren Blätterwald der Nischenfachliteratur. Robert Sigls LAURIN genießt gemeinhin den Ruf eines absoluten Geheimtipps in Sachen Gruselfilm und könnte ob seiner Machart durchaus das deutsch-ungarische Pendant zur ebenso gepriesenen britischen Fernsehproduktion THE WOMAN IN BLACK sein. Denn hier wie dort ist es einer TV-Produktion geglückt, den Spirit der ehernen Schauermär der guten alten Schule auf eindrucksvolle Art wieder heraufzubeschwören - und dies in einer Zeit, wo man solche Streifen längst in der Gruft der Filmgeschichte wähnte. Dabei ist LAURIN dieses Kunststückchen noch eine ganze Ecke überzeugender als der WOMAN IN BLACK gelungen.

Das erste Drittel von LAURIN ist pure, gotische Beklommenheit. Gleich mit dem Vorspann schlägt der deutsche Regisseur Sigl ein ganz finsteres Bilderbuch auf und eine unheilschwangere Szene löst die andere ab. Laut Drehbuch spielt LAURIN in einem deutschen Küstenstädchen; tatsächlich gedreht wurde aber (mit einer überwiegend ungarischen Crew) in Ungarn und dort augenscheinlich in den gespenstischsten Winkeln. Denn Nyika Jancsós Kamera fängt in jeder Einstellung die pure Düsternis ein. Eine abgelegene Gemeinde um die Jahrhundertwende, tristes Herbstwetter, alte Gemäuer, morsche Stege, die dunkle See, ein Schwarzer Mann, verschwundene Kinder.

In seinen ersten zwanzig Minuten braucht LAURIN den Vergleich mit den besten Werken des gotischen Horrorfilms wirklich nicht zu scheuen. Ich übertreibe? Dann schaut euch mal die Szene mit der aufgebahrten Mutter an - nur eines von vielen Exempeln in diesem Film, wo leises Grauen perfekt in Szene gesetzt wurde.

Dabei finden sich zwar übersinnliche Elemente in Laurins Geschichte, aber im Grunde geht es um den realen, wenngleich nicht minder bedrohlichen Schrecken eines psychotischen Knabenmörders. Somit könnte man dieses wohl unheimlichste Fernsehspiel der deutschen TV-Geschichte gut und gerne als gotische Version von Fulcis DON´T TORTURE A DUCKLING sehen; als träfe ES GESCHAH AM HELLICHTEN TAG auf die atmosphärischen Gruselfilme der ehrwürdigen Hammer Studios.

Wo das wirklich atemberaubende erste Drittel mit seinen vielen famosen, voller düsterer Symbolik steckenden Schauerbildern noch restlos begeistert, folgt im Mittelteil die kleine Ernüchterung. Denn dort wird der Plot ziemlich vorhersehbar und in der Folge bleiben inhaltliche Überraschungen leider aus. Doch dankenswerterweise bleibt LAURIN seiner dunklen Seele weiter treu und erteilt allen Happy-Fernsehfilmklischees eine deutliche Abfuhr.

Sigl lässt kein bisschen Sonnenschein in den Film; Bildersprache wie Atmosphäre bleibt bis zum Schluss konsequent düster und bedrückend. - Gut so, denn zuviel Licht hätte dieser rabenschwarzen Mär auch nicht gut getan. Hervorzuheben sind noch der unheimliche Score der Komponisten Jansen und Zwart sowie die starke Darstellung der damals dreizehnjährigen Dóra Szinetár, die hier das Mädchen Laurin spielt.

Trotz des unübersehbar vorhandenen Potenzials war der Schauspielerin bislang ebenso wenig eine große Karriere vergönnt wie auch dem Regisseur. Robert Sigl hat zwar einiges fürs deutsche Fernsehen gedreht (u.a. ein paar Beiträge zum TATORT, drei Folgen für die im Jahr 2000 gefloppte JOHN SINCLAIR-Reihe und den TV-Slasher SCHREI - DENN ICH WERDE DICH TÖTEN!), doch etwas Bemerkenswertes wie LAURIN war darunter nicht mehr. Mal sehen, vielleicht klappt der Durchbruch ja mit dem 2011 erwarteten deutsch-britischen Horrorfilm THE SPIDER, wo Sigl mit Malcolm (ROB ZOMBIE´S HALLOWEEN, CALIGULA) McDowell und Andy (THE COTTAGE) Serkis zumindest zwei prominente Namen in der Cast vorweisen kann.

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FAZIT:

Ein Mädchen mit der Gabe des Zweiten Gesichts will einen Knabenmörder stellen. Kaum zu glauben, aber wahr: Ausgerechnet eine deutsche Fernsehproduktion aus dem Jahr 1989 tritt das Erbe der alten gotischen Schauermären aus vergangenen Filmjahrzehnten an. Irgendwo zwischen Mario Bava, DON´T TORTURE A DUCKLING, ES GESCHAH AM HELLICHTEN TAG und den Hammer-Studios funkelt ein düsteres Juwel namens LAURIN und besticht mit gespenstischen Bildern und einer bedrückenden Atmosphäre.

Ab 1. 12. 2017 auf Blu-ray bei BILDSTÖRUNG, dem Label unseres Vertrauens.

WERTUNG: 8 von 10 schwarzen Hunden
TEXT © Christian Ade
Dein Kommentar >>
dok | 01.12.2017 20:38
wie ist das denn mit der sprache in dem film ? sprechen die ungarischen schauspieler deutsch , oder wurde grosszügig gedubbt ?

aber egal , ist eh schon bestellt :)
dok | 11.12.2017 09:31
so , nachdem ich mal ausschnittsweise in den film reingeschaut habe muss ich sagen , für mich als o-ton liebhaber wirkt es doch ziemlich störend , dass lippenbewegungen und sprache ganz offensichtlich nicht übereinstimmen . überhaupt klingt der ganze ton halt nach studio .
vielleicht sollte ich den film einfach mit untertiteln schaun , damit ich den schauspielern nicht zu sehr aufs maul schaue .
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Robert Sigl | 18.04.2010 18:40
Sehr geehrter Herr Ade. Ich habe mich sehr über Ihre wunderschöne Rezension gefreut. Erlauben Sie mir zwei kleine Anmerkungen. Es handelt sich bei LAURIN nicht um einen Fernsehfilm, sondern um einen Kinofilm. Das oberste Foto stammt aus meiner letzten Arbeit HEPZIBAH und nicht aus LAURIN. Ich freue mich sehr, dass Ihnen der Film gefallen hat. Herzliche Grüße, Robert Sigl
Chris | 18.04.2010 20:51
Sehr geehrter Herr Sigl, zunächst einmal habe ich für LAURIN zu danken und muss mich für den Recherchefehler entschuldigen. Da habe ich mich bei der oben erwähnten „Fachliteratur“ wohl auf die falsche Quelle verlassen.
Grüße Christian Ade
Robert Sigl | 05.06.2010 21:21
Hallo, Herr Ade. Herzlichen Dank für die Foto-"Korrektur". Viele Grüße, Robert Sigl
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