OT: De bruit et de fureur
DRAMA: F, 1988
Regie: Jean-Claude Brisseau
Darsteller: Bruno Cremer, François Négret, Fabienne Babe, Vincent Gasperitsch
Bruno, 14, kommt in ein neues Zuhause: Eine Wohnung im 15. Stock eines Wohnsilos in einer Pariser Vorstadt. Bruno freundet sich mit dem etwas älteren Jean-Roger an, der ihn mit seinem gewalttätigen Vater und seiner "erlebnisorientierten" Jugendgang bekannt macht. Bruno lernt schnell: Mofas klauen, mit Waffen spielen und schneller Sex sorgen für Abwechslung. Doch der sensible Junge will eigentlich etwas ganz Anderes, während die Freundschaft mit Jean-Roger auf eine Tragödie zusteuert ...
KRITIK:Regisseur Jean-Claude Brisseau, im deutschen Sprachraum vor allem durch seine HEIMLICHE SPIELE-Trilogie bekannt, hatte selbst 20 Jahre lang als Lehrer in einer Banlieue-Schule gearbeitet. Man könnte also annehmen, dass der Mann weiß, wovon er spricht. Dass er die Lebensrealität von Jugendlichen in sozialen Problemvierteln aus eigener Erfahrung kennt: Die tristen, menschenfeindlichen Zustände in den Vorstädten, zwischen Diskrimierung, Perspektivenlosigkeit, Kriminalität und sinnlosen Gewalt-Ritualen.
Dem war aber nicht so. Der Film wurde am Cannes-Festival 1988 absichtlich (?) missverstanden. Nach lautstarken Protesten wegen der ungeschönten Darstellung von Jugendgewalt wurde der Film für den Kinostart in Frankreich erst ab 18 Jahren freigegeben, was einem kommerziellen Todesurteil gleichkam.
Brisseau gelang ein pessimistischer Kommentar zum Zustand der französischen Nachkriegsgesellschaft - und das Jahre bevor die Jugendgewalt in den Banlieue breit thematisiert und diskutiert wurde.
Wer sich nun ein tristes, formal strenges Drama erwartet, das ausschließlich soziale Anliegen transportieren will, muss woanders weitersuchen. Jean-Claude Brisseau ist kein Dokumentarfilmer, sondern bildhafter Geschichtenerzähler. Der Regisseur vereint die Gegenpole Sozialrealismus und Coming of Age-Drama. Der Realismus müdet ins Fantastische. Gewalttätige Szenen enden oft in emotionalen Momenten. Es gibt surreale, erotische Traumbilder, Poesie und schwarzen Humor.
Das Ergebnis ist ein Film, der zugleich feinfühlig und brachial ist, der genauso berührt wie abstößt, bei dem sich Schönheit und Brutalität erst leidenschaftlich umarmen, um sich dann das Messer in den Bauch zu rammen.
Das Label BILDSTÖRUNG präsentiert dieses vergessen geglaubte Meisterwerk des provokativen europäischen Kunstkinos in gewohnter Bestform: Gestochen scharfes Bild, viele Extras und ein ausführliches Booklet sollten der Kaufargumente mehr als genug sein.
Das seinerzeit angefeindete französische Jugenddrama LÄRM UND WUT verbindet verstörende Gewalt mit poetischen Bildern und surrealen Momenten. Eine weitere hervorragende DVD-Veröffentlichung aus dem Hause Bildstörung.