OT: Je vais bien, ne t'en fais pas
THRILLER/DRAMA: F, 2006
Regie: Philippe Lioret
Darsteller: Mélanie Laurent, Kad Merad, Isabelle Renauld
Wo ist mein Zwillingsbruder?
KRITIK:Eine einfache Frage wie diese reicht, um diesen unklassischen Thriller über die gesamte Länge spannend zu halten. Da braucht es keine Kornkreise oder tote Menschen sehende Kinder. Lili kommt aus den Sommerferien zurück und erfährt, dass ihr Zwillingsbruder nach einem heftigen Streit mir dem Vater das elterliche Heim verlassen hat und seitdem spurlos verschwunden ist.
Lili wird besessen von dem Versuch zu verstehen, was passiert ist, und davon ihren Bruder zu finden. Ihre verzweifelte Frage um den Verbleib ihres Bruders wird nie langweilig - im Gegenteil. Die Identifikation mit der Hauptdarstellerin lässt das Publikum die Spannung in jedem Moment spüren. Zumindest bei mir hat das Konzept prima funktioniert. Immer, wenn man Längen im Film erwartet oder wahrnimmt, passiert ein kleiner Twist. Ein überraschender Handlungsverlauf, der zwar nichts an der oben genannten Frage oder der finalen Auflösung ändert, aber das Publikum erneut fesselt.
Wer einen klassischen Thriller erwartet, wird bei dieser Mischung aus Familiendrama, Teenagerfilm und eben Thriller vielleicht nicht ausreichend Nervenkitzel verspüren. Doch auch jene werden nie auf die Uhr blicken und ihren Blick stets gebannt auf die Leinwand richten.
Dafür verantwortlich zeichnet eine überragende Mélanie Laurent (Der wilde Schlag meines Herzens), die den ganzen Film trägt und das, obwohl ihre Rolle physisch ohnehin schon Schwerstarbeit von ihr abverlangt. Regisseur Philippe Lioret (Die Frau des Leuchtturmwärters) schenkte ihr ohne Probeaufnahmen des Vertrauens und wurde mehr als bestätigt. Selten war ich so ergriffen vom Mitleiden mit der zentralen Figur des Films. Mélanie Laurent brilliert mit allen Facetten von Lili, die mal stark, mal schwach, mal resignierend, mal getrieben, mal verzweifelt, mal sehnsüchtig ist - oder alles gleichzeitig.
Für ihre Leistung erhielt sie den renommierten Romy Schneider Preis und den César als beste Nachwuchsdarstellerin. Apropos César: der als bester Nebendarsteller ging an Kad Merad, der in der für ihn ungewohnt unkomischen Rolle des Vaters überzeugt. Generell ist das gesamte Ensemble stimmig und stets unaufdringlich.
Genauso schnörkellos ist die ganze Inszenierung. Buch, Regie, Kamera und Ausstattung - alles sind sich einig: im Mittelpunkt stehen die Emotionen, die diesen Streifen spannender machen, als jede Autoverfolgungsjagd.
Ein untypischer Triller, der seine Spannung aus Emotionen generiert. Wer das nicht mag, muss sich die den Film trotzdem ansehen. Allein wegen Mélanie Laurent, die das Publikum in die Gesichte zieht und es ihre Emotionen körperlich miterleben lässt.
Emotionen, die noch lange nachwirken.
Starttermin in A: 13.4.2007