DRAMA/BIOPIC: F, 2010
Regie: Joann Sfar
Darsteller: Eric Elmosnino, Lucy Gordon, Laetitia Casta, Anna Mouglalis
Das Leben von Serge Gainsbourg, Maler, Schauspieler, Chansonnier, Pop-Ikone, Poet, Provokateur, Lebemann, exzessives Genie und Selbstzerstörer, frei nach dem Comic-Künstler Joann Sfar.
KRITIK:Preisfrage: Wie verfilmt man das Leben einer überlebensgroßen Ikone, deren reales Leben längst von Mythen, Legenden und Skandalen sonder Zahl überdeckt wurde? Am besten, man hält sich nicht zu lange mit der Realität auf.
Joann Sfar macht, was er am besten kann: Er zeichnet schon über die Titelcredits einen Comic und stellt Serge Gainsbourg eine Comic-Figur, im Film "häßliche Fresse" genannt, als Alter Ego zur Seite. Die häßliche Fresse fungiert fortan als bester Freund, als Einflüsterer, als Ideengeber und als Stimme im Kopf, der den jungen Künstler anfangs um den Schlaf, später um den Verstand bringt.
Wie bei jeder Künstler-Biographie, die etwas auf sich hält, wird die Form über den Inhalt gestellt. Das ist wunderschön anzusehen; der Regisseur lässt eine Fülle an eleganten, rauschhaften, bisweilen surrealen Bildern auf die Zuseher los. Selbst als Joann Sfar von der Kindheit Gainsbourgs im Krieg erzählt, fallen im dazu faszinierende Bilder ein, meilenweit entfernt von der Biederkeit und Fantasielosigkeit, mit der deutsche Filmbeamte ihre NS-Vergangenheitsbewältigungskostümschmozetten drehen.
Apropos deutsche Filmbeamte: Der patscherte deutsche Verleihtitel "Der Mann, der die Frauen liebte" ist immerhin ein Versprechen: Serge Gainsbourgs zahllose Affären nehmen im Film breiten Raum ein. Juliette Gréco, Jane Birkin, France Gall und natürlich Brigitte Bardot; Gainsbourg hat mit ihnen Klavier und Bett geteilt. Und zu diesem wunderbaren Stück legt Laetitia Casta als Brigitte Bardot die schönste Nackt-Tanzszene seit THE WICKER MAN hin.
Ja, die Musik. Diese schwer fassbare, eigentümliche, faszinierende Musik. Die Hits und Evergreens sind natürlich alle im Film zu hören, dieser, dieser, und auch dieser, der seinerzeit für einen handfesten Skandal gesorgt hat.
Skandale, auch so ein Fixpunkt in Gainsbourgs Leben. Ab den Siebziger Jahren hat "Gainsbarre" - das kampftrinkende, selbstzerstörerische, mysogyne Alter Ego das Kommando übernommen. Wobei der Film Gainsbourg/Gainsbarre selbst in seinen schlimmsten Abstürzen eine gewisse Würde lässt. Gainsbourg fiel mit Stil, sozusagen. Während der echte Gainsbourg mit 63 Jahren an Leberzirrose, Krebs und Diabetes starb, klingt der Film mit einem fast schon kitschigen Strand-Szene bei untergehender Sonne aus. Schönheit also, wohin man blickt. Dieser Film hat sie im Übermaß. Dem Ästheten Gainsbourg hätte der Film bestimmt gefallen.
Sex, Gitanes und Rock 'n Roll: Ein Comic-Zeichner setzt der französischen Chanson-Ikone Serge Gainsbourg ein filmisches Denkmal - und was für eines. Ein eleganter, farbenprächtiger, rauschhafter Film, der verständlich macht, warum Gainsbourg für so viele zeitgenössische Pop-Künstler, von Franz Ferdinand über Placebo und Madonna bis zu The Kills, als Vorbild und Inspirationsquelle gilt. Unbedingt ansehen - es sei denn, man versucht gerade, mit dem Rauchen aufzuhören. Oder Trinken. Oder Fremdgehen ;-)