POLIZEIFILM/ACTION/THRILLER: USA, 1971
Regie: Don Siegel
Darsteller: Clint Eastwood, Andrew Robinson, Harry Guardino, Reni Santoni
"To the City of San Franscisco: I will enjoy killing one person everyday until you pay me one hundred thousand dollars!", schreibt der Heckenschütze, der sich "Scorpio" nennt, in seinem Brief an den Bürgermeister von San Fransisco. Auf den Killer angesetzt wird Inspektor Harry Callahan, den sie "Dirty Harry" nennen und der die Dinge am liebsten mit unlauteren Polizeimethoden oder gleich mit seiner 44er Magnum regelt
KRITIK:Wir haben Reviews zu DIRTY DANCING, DIRTY PICTURES und zu DIRTY PRETTY THINGS, aber bislang noch keines zu DIRTY HARRY. Eine Schande, wird sich manch einer denken, der weiß, dass dieser von Clint Eastwood gespielte Bulle die Bahnen eines ganzen Filmgenres geändert und nicht zuletzt auch den schönen, italienischen Poliziesco maßgeblich beeinflusst hat, der ab 1972 mit Vanzinas DAS SYNDIKAT ähnliche Töne angeschlagen hat. Aber so ist das nun mal: So viele gute Filme und so wenig Feierabend, als dass man über jeden gebührend schreiben könnte. Doch nun freue ich mich, euch DIRTY HARRY an dieser Stelle endlich vorstellen zu können.
In Don Siegels Polizeifilmklassiker erinnert das San Francisco der frühen Siebziger etwas an Gotham City minus den Comichelden. Die Polizei ist machtlos gegenüber den Schurken, Heckenschützen und Serienkillern, die im Zuge einer überbordenden Kriminalität damit beginnen, die Stadt selbst zu terrorisieren und deren eingesetzten Beschützer offen herauszufordern und zu verhöhnen.
Dieser Lage kann der Arm des Gesetzes, dem das für Recht und Ordnung sorgen immer schwerer fällt, anscheinend nur Herr werden, wenn er Feuer mit Feuer bekämpft. Nichts anderes macht Clint Eastwood in seiner Paraderolle als DIRTY HARRY mit seiner glorifizierten 44er und einigen zynisch-coolen Sprüchen, die allerdings nicht darüber hinwegtäuschen sollen, dass auch dieser knallharte Bulle eine zunehmende Resignation und Ohnmacht gegenüber den immer extremer werdenden Exzessen der Verbrecher empfindet
Doch freilich weiß Dirty Harry dies zunächst gut zu kaschieren, wenn er in seiner etwas übertriebenen Exposition zwischen zwei Bissen Hotdog mal eben ein paar Bankräuber aus den Latschen schießt. Doch hat er dem Zuschauer erst einmal ganz subtil eine gewisse Menschlichkeit unter dem Panzer seines knochentrockenen Charmes mit Hang zur Selbstjustiz offenbart, findet er auch seinen verdienten Platz in unseren Herzen.
Ganz anders als sein Gegenspieler "Scorpio". Schon allein sein an die Tierkreiszeichen angelehnter Name, der Schusswaffengebrauch und seine frechen Briefe an die Obrigkeit belegen, dass ganz eindeutig ein realer Serienmörder Modell für diese Figur gestanden hat. Namentlich der Zodiac-Killer, welcher zwischen 1968 und 1969 im Raum San Francisco mordete und über den David Fincher 2007 einen Film gemacht hat.
Gerade diese Einbindung eines wahren Serienkillers, der es geschafft hat, eine ganze Stadt buchstäblich in Angst und Schrecken zu versetzen, machen DIRTY HARRY vielleicht zu einem Dokument seiner Zeit. Weil er die Angst und Ohnmacht der Bevölkerung gegenüber der besorgniserregenden Zunahme der Gewalt in den Städten und den leisen, vielleicht etwas gefährlichen, aber nachvollziehbaren Wunsch der Gesellschaft nach einem unerbittlich zupackenden Arm des Gesetzes beschreibt.
Doch "Scorpio" ist nicht nur der Zodiac-Killer. Er bedient sich auch der Gewohnheiten anderer Teufel in Menschengestalt. Er erschießt nicht nur junge, schöne Frauen bei ihrem morgendlichen Bahnenziehen im Swimmingpool; nein seine Opfer sind auch Teenager, die die Polizei dann nackt, vergewaltigt und tot aus einer dreckigen Grube bergen muss. Und einmal muss Dirty Harry Scorpio von einem Rummelplatzkarussell verscheuchen, als dieser sich dort an kleine Kinder heranmachen will. Das "Böse in Personalunion" mag nicht besonders glaubwürdig sein, transportiert aber eine klare Botschaft: Niemand ist sicher!
"Scorpio" wird übrigens vom jungen Alan Robinson gespielt. Hätte David Hess ein paar Jahre später keinen Bock auf das LAST HOUSE ON THE LEFT gehabt; Robinson mit seiner Drecksackvisage und seinem meisterlichen asozialen Spiel hätte ebenfalls einen überzeugenden "Krug" abgegeben.
Die Auseinandersetzung "DIRTY HARRY vs. Scorpio" ist in jedem Fall ein extrem packendes Duell, welches mit zunehmender Laufzeit zwar immer unrealistischer, aber dafür immer spannender, intensiver und gewalttätiger wird
Dabei geht es - getreu der damals losgetretenen Neuen Welle des amerikanischen Polizeifilms - nicht eben schaumgebremst zu!
PS: Bis zum Jahr 1988 schlüpfte Clint Eastwood noch vier weitere Male in die Rolle des Inspektor Callahan.
PPS: Lalo Schifrins Musik ist so großartig geworden, dass sie für Freunde von 70er Jahre-Sounds und ausdruckstarken Filmscores den Kauf der Soundtrack-CD nicht nur rechtfertigt, sondern geradezu zur Pflicht erhebt.
In seinem ersten und wohl auch denkwürdigsten Einsatz als knochentrockener Bulle mit Hang zur Selbstjustiz muss sich DIRTY HARRY in einem finsteren San Francisco einem psychopathischen Heckenschützen stellen - DIRTY HARRY zeigt nicht nur Clint Eastwood in einer seiner Paraderollen, sondern ist auch unumstrittenes Aushängeschild des harten Polizeifilms, der nicht zuletzt den italienischen Poliziesco maßgeblich beeinflusst hat.