OT: Vargtimmen
PSYCHODRAMA: SCHWEDEN, 1968
Regie: Ingmar Bergman
Darsteller: Max von Sydow, Liv Ullmann, Gertrud Fridh, Ingrid Thulin
Als die "Stunde des Wolfs" wird jene Zeit zwischen Mitternacht und Morgengrauen bezeichnet, wenn der Mensch ins Grübeln kommt und seine Ängste und Sorgen ihm den Schlaf rauben. Die STUNDE DES WOLFS, die der Maler Johan auf einer abgeschiedenen Insel durchlebt, ist bevölkert von verflossenen Geliebten, ermordeten Jungen und allerhand seltsamer Gestalten. Er entfremdet sich mehr und mehr von seiner Frau Alma und verliert dabei langsam, aber sicher den Verstand -
KRITIK:Damals in den späten Sechzigern, als sich Ingmar Bergman mit dem vorliegenden Film beschäftigt hat, scheinen die Nächte des schwedischen Ausnahmeregisseurs besonders schwer und bedrückend gewesen sein; voll trübseligen Sinnieren über die dunklen Seiten von Ehe und Psyche; voller nagender Gedanken über Entfremdung und Trennung.
Seine STUNDE DES WOLFS hat er in ein düsteres Quasi-Horrorfilmszenario eingebettet: entlegene Insel mit einem düsteren Haus voller mysteriöser Personen und bizarren Gestalten. Auch wenn das Ganze dann und wann die Züge eines Horrorfilms trägt und sich die beklemmenden, surrealistischen Szenen zu einem regelrechten Alptraumtrip verdichten, ist Bergmans Werk natürlich weit davon entfernt tatsächlich ein Horrorfilm zu sein.
Bar jedes Unterhaltungswerts treffen sich hier psychologisches Beziehungsdrama, halluzinogener Fiebertraum und schwerverdauliches Autorenkino und werden zu einer filmischen Erfahrung, die ein paar denkwürdige, weil geniale (oder verstörende) Szenen hervorbringt.
Der Junge an den Klippen, der Vogelmensch und vor allem jene alte Frau, die sich das eigene Gesicht abreißt - das sind nur ein paar von Johanns Dämonen und Momente, die schon irgendwie Anlass zur Beunruhigung geben. Denn da weht selbst durch das heimische Wohnzimmer das Odeur einer mittelschweren Psychose.
Das sind die guten Momente. Aber es gibt auch die Tücken des Autorenkinos und wenn die hier Oberwasser bekommen, wird es ziemlich zäh und anstrengend. Bedeutungsschweres minutenlanges Schweigen, Monologe in die Kamera, ständige Nahaufnahmen der Gesichter - die tausend Tode des unterhaltungsorientierten Filmfans eben
Dafür sehen wir in der Rolle des kriselnden Malers Johann den großen Max von Sydow; was aber niemand überraschen sollte, denn Max von Sydow hat ja praktisch in jedem Bergman die Hauptrolle inne - so auch in dessen 10 Punkte-Klassiker DIE JUNGFRAUENQUELLE und DAS SIEBENTE SIEGEL, über die wir ein anderes Mal reden wollen Ebenfalls dabei ist Ingrid Thulin, die Giallo-Fans aus Aldo Lados MALASTRANA kennen.
Und die Moral von der Geschicht´? Findet man in jener Passage aus Mozarts Zauberflöte, die auch im Film auf faszinierende Weise zitiert wird und gleichzeitig seine Essenz bildet:
"So, ewige Nacht, wann wirst du schwinden? Wann wird das Licht mein Auge finden? - Bald, bald, Jüngling - oder nie "
In Bergmans "Horrorfilm" verschmilzt Psychologisches, Fiebriges, (Ehe-)dramatisches und Surreales zu einem finsteren, dämonischen Stück Autorenkino, welches allerdings keinen gesteigerten Wert auf Unterhaltung legt und von daher alles andere als leichtverdaulich ist. Bergmans STUNDE DES WOLFS ist so sperrig wie ein Klavier, das man eine (düstere) Wendeltreppe hoch schaffen muss, aber auch mit genialen Momenten gespickt und stellenweise verdammt beklemmend; eben die perfekte filmische Umsetzung einer Wolfsstunde.