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Malastrana

Malastrana

OT: La corta notte delle bambole di vetro
THRILLER/HORROR: I/CZ, 1971
Regie: Aldo Lado
Darsteller: Jean Sorel, Ingrid Thulin, Mario Adorf, Barbara Bach

STORY:

Biologisch gesehen ist der Mann tot: Kein Puls, keine Atmung, keine messbare Hirnaktivität. Doch die Ärzte wundern sich: Warum sinkt die Körpertemperatur nicht ab? Warum stellt sich keine Leichenstarre ein? Gregory Moore ist nicht tot. Doch er kann sich nicht mehr bewegen, nicht verständlich machen. Wer hat ihn in diese missliche Lage versetzt? Er muss sich erinnern: Warum ist seine Verlobte spurlos verschwunden? Wo war er zuletzt? Und warum liegt er jetzt im Leichenschauhaus?

KRITIK:

MALASTRANA beginnt wie ein konventioneller Kriminalfilm: In einem Park in Prag wird der scheinbar leblose Körper eines amerikanischen Journalisten gefunden. Offensichtlich war er an einer Story dran, die ihm das Leben gekostet hat. In Rückblenden erfahren wir mehr und mehr über seine Identität. Der Film bezieht einen Gutteil seiner Spannung aus dem Umstand, dass der Zuseher nie mehr weiß als der Protagonist selbst. Dieser befindet sich in einem Schwebezustand zwischen Leben und Tod, von wo aus er versucht, seine Erinnerung wieder zu erlangen.

Mala Strana ist einer der ältesten und geschichtlich bedeutsamsten Stadtteile Prags. Man erkennt die bildschöne Stadt kaum wieder: Wo sich heute Tausende Touristen durch die prächtig restaurierten Gässchen schieben, zeigt hier der real existierende Sozialismus sein trostloses Antlitz: Graue, abblätternde Fassaden säumen düstere, labyrinthartige Gassen und verbergen finstere Geheimnisse.

Die Schauplätze spielen sozusagen die zweite Hauptrolle in diesem italienischen Psychothriller von 1971, der oftmals mit Nicolas Roegs Meisterstück WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN verglichen wurde. Hier wie da wird eine gemächliche, dialoglastig erzählte Geschichte von einer mysteriösen, kriechenden Spannung umspült. In beiden Filmen werden Schockeffekte sparsam, aber umso effektiver eingesetzt, während sich die Schauplätze von ihrer morbidesten Seite zeigen.

Dass in der damaligen CSSR gedreht werden konnte, erstaunt aus heutiger Sicht, zumal das totalitäre System im Film alles andere als gut wegkommt. Vermutlich lagen die Zensoren zeitweilig im Absinthrausch darnieder und waren darob nicht in der Lage, das Drehbuch zu lesen.

Der Grund, warum ich "nur" sieben Punkte vergebe, liegt in der erwähnten Zähigkeit der Erzählung, die man hätte punktuell straffen können. Dennoch: Langatmig oder gar langweilig ist dieser abgründige Psycho-Horror-Thriller (eigentlich: ein Giallo, aber kein typischer!) zu keiner Sekunde. Dafür sorgt schon der vielgerühmte Score von Ennio Morricone, dessen Orchester stets die richtigen Töne zu den stimungsvollen Bildern liefert.

Apropos: Ein gewisser Jürgen Drews - ja, genau der! - ist auch mit von der Partie. Lange bevor er sein Bett im Kornfeld bezog, wirkte der selbsternannte König von Mallorca nämlich in einer Reihe italienischer Genre-Filme mit. In einem Zwei-Minuten-Auftritt mimt Drews hier einen Folksänger und lässt dabei den besten Bob Dylan raushängen, den er draufhat. Das klingt gar nicht übel, ganz ohne Ironie jetzt.

Die DVD von Koch Media kommt mit Audiokommentar von Mario Adorf und erwähntem Herrn Drews. Obendrein gibt’s ein umfangreiches Booklet mit einem wie immer sehr schönen Essay von Deutschlands Filmgelehrten Christian Keßler. Das hübsche Digipack im Schuber gibt’s zum Dumping-Preis von nur 7 Euro. Dafür könnte man in Prag immerhin drei Bierchen bestellen, doch diese DVD ist die deutlich nachhaltigere Investition.

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FAZIT:

Ein Geheimtipp unter den Italo-Thrillern der Seventies erblickt endlich ungekürzt das Licht der DVD-Regale. Hoch-atmosphärische Bilder plus einprägsame Schockeffekte plus Sound von Ennio Morricone plus Gastrollen von Mario Adorf und Jürgen Drews (!) ergeben einen rundum gelungenen Giallo der untypischen Art, den lediglich gewisse Anflüge von Zähigkeit in der Erzählung vom Meisterwerk-Status trennen.

WERTUNG: 7 von 10 Autopsien
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