OT: The Comfort of Strangers
DRAMA: USA/GB/ITALIEN, 1990
Regie: Paul Schrader
Darsteller: Christopher Walken, Helen Mirren, Rupert Everett, Natasha Richardson
Ein junges Liebespaar macht Urlaub im sommerlichen Venedig, in der Hoffnung, die kriselnde Beziehung wieder zu stabilisieren. Eines Abends machen die beiden die Bekanntschaft des enigmatischen Aristokraten Robert. Der gibt skurrile Geschichten aus seiner Kindheit preis und stellt ihnen etwas später auch seine Fau Caroline vor. Das scheinbar zufällige Zusammentreffen wird das Leben aller Beteiligten für immer verändern, denn wie die Stadt selbst sind Robert und seine Frau nicht das, was sie zu sein scheinen. Hinter der oberflächlichen Fassade von Sympathie und Neugier lauert Dunkles und Unheilvolles.
Von der ersten Sekunde an zieht einen DER TROST VON FREMDEN in seinen magischen Bann. Die Kamera gleitet geschmeidig durch die Räume eines altmodischen, venezianischen Palazzo, die verloren scheinen in der Zeit. Untermalt werden diese ersten Momente von Angelo Badalamentis hypnotischem Score, wunderschön und elegant, gleichzeitig aber auch dunkel und bedrohlich. Dann erklingt die Stimme von Christopher Walken:
"Mein Vater - war ein Hüne von Mann. Sein ganzes Leben lang trug er einen schwarzen Schnurrbart. Als er grau wurde, färbte er ihn mit einer kleinen Bürste schwarz, wie sie Frauen für ihre Wimperntusche verwenden. Alle hatten Angst vor ihm."
In dieser ersten Szene wird bereits die Grundstimmung des Films festgelegt. Die Bilder, die Musik, Walkens Stimme, alles trägt eine unterschwellige Spur des Unbehagens, ohne dass man diese konkret an etwas festmachen könnte.
Dazu trägt auch ganz wesentlich der Handlungsort des Films bei. Das berühmte Venedig, im Glanz der Sommersonne so fröhlich und lebensfroh mit seinen Kanälen und unzähligen Touristen, kann zu anderen Jahreszeiten oder bei Nacht eine morbide, beängstigende Atmosphäre verströmen. Das muss auch das von Rupert Everett und der kürzlich verstorbenen Natasha Richardson solide gespielte Ehepaar bald feststellen, als sie sich nachts im Labyrinth der Gassen verlaufen. Wo sie auf Robert treffen. Der einen weißen Armani-Anzug trägt und seltsame Geschichten zu erzählen weiss...
Jedesmal, wenn ich mir diesen Film ansehe, muß ich an WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN denken. Beide Filme spielen in Venedig, beide haben ein ähnliches Grundthema: das "Nicht-sehen-wollen", das Verdrängen und Negieren von Gefühlen und Instinkten und die schrecklichen Gefahren, die daraus resultieren können.
Obsession ist ein weiteres zentrales Thema, ebenso wie die Unmöglichkeit, alte Wertvorstellungen in eine moderne Zeit zu transportieren.
Der psychologische Subtext ist allgegenwärtig, die Dialoge von Harold Pinter - oberflächlich betrachtet oft bedeutungslos - offenbaren nach und nach die dunklen Gedanken- und Seelenwelten der einzelnen Protagonisten.
Einen seltsamen Film hat Paul Schrader da gedreht, einen auf den der Zuseher sich einlassen muss, für den man Zeit braucht. Auch nach dem Abspann. Gorehounds und Adenalinjunkies werden nicht bedient. Der Sog entwickelt sich langsam, aber ich verspreche euch: er ist gewaltig.
Christopher Walken liefert in meinen Augen eine der besten Darstellerleistungen seiner Karriere, und obwohl ich normalerweise Originalton vorziehe, muss ich sagen, dass mir Walkens perfekt zu ihm passende deutsche Synchronstimme in diesem Fall mehr als im O-Ton einen Schauer über den Rücken jagt. Was für eine One-Man-Show. Selbst die verlässliche Helen Mirren als leidende Ehefrau verblasst da etwas im direkten Vergleich.
DER TROST VON FREMDEN ist schwer in Worte zu fassen. Er ist ein verstörendes, zum Nachdenken einladendes bei alledem aber extrem spannendes Verwirrspiel. Und ein Film der, so oft man ihn auch sieht, immer noch die eine oder andere Frage offenlässt.
Venedig und Chris Walken: Creepiest town on earth meets creepiest actor ever!
Kann ich nur empfehlen! Gänsehaut garantiert.