OT: La morte non ha sesso
GIALLO/ FILM NOIR: ITALIEN, 1968
Regie: Massimo Dallamano
Darsteller: Robert Hoffmann, John Mills, Luciana Paluzzi
Im Hamburger Drogenmilieu geht ein Killer um, der potentielle Zeugen umbringt, bevor diese aussagen können. Dem mit den Ermittlungen zu diesem Fall beauftragten Inspektor Bulov plagen jedoch noch ganz andere Sorgen: seine ebenso schöne, wie untreue Frau Lisa macht ihm das Leben schwer...
KRITIK:In meiner Kritik zu dem Spätgiallo DARK BAR (1988) hatte ich besonders hervorgehoben, dass jener Film die einzige mir bekannte Verknüpfung meiner beiden Lieblingsgenres - des Giallo und des Film noir darstellt. Doch nun habe ich DAS GEHEIMNIS DER JUNGEN WITWE (auch bekannt als A BLACK VEIL FOR LISA) gesehen und muss diese Feststellung korrigieren. Denn dieser erste (Früh-)Giallo von dem grandiosen Massimo Dallamano ist ebenfalls mehr noir, als giallo.
Bei A BLACK VEIL FOR LISA handelt es sich um eines jener leider fast vergessenen Genrejuwele, die noch immer auf eine offizielle DVD-Veröffentlichung warten. Zwar teilt der Film dieses Schicksal mit geschätzten weiteren 150 Gialli, aber natürlich befindet sich unter diesen auch eine gehörige Portion an Mittelmaß. Doch A BLACK VEIL war für mich in der Tat eine wahre Entdeckung.
Stilistisch ist der Film zwar noch nicht ganz so ausgereift, wie Dallamanos spätere Meisterwerke WHAT HAVE THEY DONE TO SOLANGE? und DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER, aber trotzdem vermag auch bereits sein Giallo-Debut visuell durchaus zu überzeugen. Doch die besondere Qualität dieses Films liegt weniger in seinem optischen Stil alleine, als vielmehr in der äußerst dichten Gesamtatmosphäre, die sich aus dem Zusammenspiel von guter Kameraarbeit, authentischen Charakteren und Locations, sowie der gelungenen musikalischen Untermalung ergibt.
Der Score ist eher jazzig und passt gut zu einem Film, der zwar schwarze Handschuhmorde beinhaltet, diese jedoch dem im Mittelpunkt der Handlung stehenden sehr noir-igen tragikomischen Beziehungsdrama unterordnet. Ja genau: DAS GEHEIMNIS DER JUNGEN WITWE (übrigens ausnahmsweise mal ein deutscher Titel, der gar nicht so unpassend ist) ist im Kern kein Murder-Mystery, sondern viel eher ein Beziehungsdrama. Und in seiner Konzentration auf die tragische Verwicklung der drei zentralen Charaktere steht A BLACK VEIL Zulawskis NACHTBLENDE fast ebenso nahe, wie Argentos GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE. Doch im Gegensatz zu NACHTBLENDE ist der Grundton in Dallamanos Film nicht düster-depressiv, sondern aller Tragik zu trotz zumeist sehr heiter.
So gibt es zahlreiche schreiend komische Szenen, die das Leiden des Insektors Bulov (grandios: John Mills) zeigen. So telefoniert dieser z.B. neben seinen Ermittlunsarbeiten beständig vom Büro und auch von unterwegs seiner Frau hinterher. Und als er Lisa (ebenfalls toll gespielt von Luciana Paluzzi) eines Abends mit einem roten Porsche davonfahren sieht, beauftragt er am nächsten Tag einen Beamten mit der Ermittlung des Halters von diesem Wagen!
Doch diese Konzentration auf Bulows Eheprobleme geht auch eindeutig auf Kosten der Spannung. So funktioniert A BLACK VEIL als Thriller auch nur bedingt und insbesondere in der ersten Hälfte kommt der Film in dieser Hinsicht kaum vom Fleck. So fand ich DAS GEHEIMNIS DER JUNGEN WITWE beim ersten Ansehen zwar auch bereits sehr atmosphärisch, aber gleichzeitig eher lahm. Doch bei der zweiten Sichtung habe ich gemerkt, dass die eigentliche Spannung in den emotionalen Konflikten der Hauptdarsteller liegt. Und wenn man sich darauf einlassen kann, dann entdeckt man, dass A BLACK VEIL zwar kein herausragender Giallo, aber trotzdem ein äußerst gelungener Film ist.
Zum Schluss möchte ich noch kurz erwähnen, dass auch die Stadt Hamburg (die korrekte Aussprache lautet selbstverständlich "Hamburch"!) eine besondere Rolle in diesem Film spielt. Das hanseatische Lokalkolorit ist hier ebenso schön eingefangen, wie die Stadt Wien in Sergio Martinos DER KILLER VON ... WIEN. Dieses für einen Giallo eher ungewöhnliches Setting trägt auch ganz entscheidend zu der besonderen Atmosphäre des Films bei. Und da ich mir als gebürtigen Fischkopp einen gewissen Lokalpatriotismus nur schlecht verkneifen kann, gibt es hierfür von mir mindestens noch einen halben Sympathiepunkt obendrauf dazu!
Massimo Dallamanos erster Giallo DAS GEHEIMNIS DER JUNGEN WIDWE besticht durch das gelungene Spiel der Hauptdarsteller und seine äußerst dichte Atmosphäre. Dabei funktioniert der Film jedoch nur bedingt als Thriller und ist erst recht kein richtiger Giallo. Doch dies macht DAS GEHEIMNIS mehr als wett, durch das hier gebotene emotionale Drama, in dem auch die eigentliche Spannung des Films besteht.