GIALLO/NEO-NOIR: ITALIEN, 1988
Regie: Stelio Fiorenza
Darsteller: Barbara Cupisti, Richard Hatch, Lea Martino, Marina Suma
Anna und Elisabeth sind zwei ungleiche Schwestern. Anna (Marina Suma) ist eine ernsthafte Saxophonspielerin, die kurz vor ihrem Durchbruch steht. Ihre Schwester Elisabeth (Barbara Cupisti) hingegen ist ein selber drogenabhängigerer Drogenkurier und transportiert die heiße Ware in entsprechend präparierten Regenmänteln.
Eines Tages bekommt Elisabeth einen neuen Auftrag. Sie ruft Anna an und spricht ihr auf den AB, dass sie die nächste Zeit verschwinden wird. Dann nimmt sie einen Regenmantel in Empfang, liefert diesen jedoch nicht ordnungsgemäß ab. Stattdessen gibt sie ihn einer geheimnisvollen Frau, bei der sie auch ein mysteriöses Buch versteckt. Anschließend geht Elisabeth in die DARK BAR, um sich dort mit ihrem Freund Marco (Richard Hatch) zu treffen. Dort wird sie von einem Killer auf der Toilette erschossen. Nun versuchen Anna und Marco der Sache auf die Spur zu kommen. Doch da die Killer die Drogen und das Buch nun bei Elisabeth vermuten, schwebt auch deren Leben bereits in höchster Gefahr...
KRITIK:DARK BAR ist der erste und bis heute auch der einzige Film von Stelio Fiorenza. Und trotzdem kann man sagen, dass er sich durch dieses Werk einen verdienten Platz in der Filmgeschichte gesichert hat. Tatsächlich ist dieser Film die einzige mir bekannte Synthese meiner beiden Lieblingsgenres: des Giallo und des Film Noir!
Ja, es ist schon verrückt, dass diese beiden Filmgenres beide nach der Farbe der Buchumschläge von Kriminalromanen benannt sind, deren besondere Atmosphäre eine ganze Reihe von Regisseuren zu ähnlich gelagerten Filmen inspiriert hat. Und genau dieser Akzent auf dem Wort "Atmosphäre" ist es auch, der insbesondere den Film noir, aber auch den Giallo, zu weit mehr als einem klar definierten Genre gemacht hat.
Natürlich gibt es bei beiden Richtungen auch einige gerne wiederkehrende Trademarks. Auf dieser Ebene zeigt sich die Verbindung der beiden Genres in DARK BAR auf geradezu emblematische Weise in der Szene, als Elisabeth auf der Toilette erschossen wird. Der Killer trägt giallogerecht einen schwarzen Hut, einen Regenmantel und auch schwarze Handschuhe. Aber er ersticht die Arme eben nicht mit einem Messer, sondern erschießt sie mit einer Pistole. Außerdem haben wir das Gesicht des Killers schon vor dem Mord gesehen. Und wir ahnen auch, dass er kein traumatisierter Psychopath, sondern ein ganz ordinärer Gangster ist. Trotzdem bleibt natürlich die Frage nach dem Sinn dieser Aktion und somit haben wir dann doch wieder ein relativ anständiges Murder Mystery.
Aber, wie bereits gesagt, lautet das eigentliche Stichwort Atmosphäre! Und da punktet DARK BAR ganz ungemein. Der Film hat einen ganz eigenen, zwar sehr dezenten, aber zugleich sehr auffallenden, persönlichen Look. Technisch ist hier alles vom feinsten. Die Aufnahmen sind teilweise echt edel, der Schnitt sehr gelungen und der jazzige Score passt perfekt. Alles zusammen produziert eine ganz eigene Stimmung, die den Film über weite Stecken hin trägt.
Diese ganz eigene Stimmung trifft insbesondere auf die DARK BAR im Film zu. Dies ist eine nur auf den ersten Blick normale Jazzbar, in der sich zahlreiche obskure Gestalten treffen, um noch obskurere Drinks zu konsumieren. Aber schöne Bilder und eine interessante Atmosphäre alleine machen noch keinen gelungenen Thriller. Doch anscheinend waren die Macher des Films da anderer Meinung. So richtige Spannung kommt in DARK BAR jedenfalls nur höchst selten auf. Und die wenigen vorhandenen Actionszenen wirken im besten Fall nur recht müde, teilweise aber auch schon fast lächerlich.
Das ganze hat mehr so das Flair von einem Arthouse-Film, der aus irgendwelchen schwer nachvollziehbaren Entscheidungen heraus, kein Drama, sondern ein Thriller geworden ist. Antonionis BLOW UP kommt mir da als Vergleich in den Sinn. Aber um in solch einer Liga mitspielen zu können, dafür ist DARK BAR wiederum ein viel zu konventioneller Krimi.
So ist der Gesamteindruck letztendlich ziemlich gespalten. Auf atmosphärischer Ebene ist das Experiment einer Synthese des Giallo und des Film noir eindeutig gelungen. Ein paar zauberhafte Einstellungen lassen hier gar an eine verkappte Arthouse-Perle denken. Aber als Thriller ist DARK BAR schlicht gesagt ziemlich Banane. Und so kann ich es irgendwie doch ganz gut verstehen, dass dieses interessante Filmchen heute in Vergessenheit geraten ist, obwohl ich dies aufgrund seiner ganz offensichtlichen Qualitäten gleichzeitig doch auch ein wenig traurig finde. Und so langt es für Stelio Fiorenzas einzigen Film dann zwar tatsächlich für einen Platz in der Filmgeschichte, allerdings nur in Form einer leicht zu übersehenden Fußnote.
Stelio Fiorenzas Giallo-Film noir-Mix DARK BAR ist zwar kein packender Thriller, der das Herz des Genrefans höher schlagen lässt. Aber dafür bietet der Film 90 Minuten erlesener Langeweile für den wahren Cineasten!