OT: The Thing
SCIENCE-FICTION: USA, 1982
Regie: John Carpenter
Darsteller: Kurt Russel, 11 weitere Nebendarsteller
Irgendwo in der Antarktis spielt ein Alien Katz und Maus mit einer 12-köpfigen Mannschaft. Das Perfide: Es imitiert das Äußere anderer Lebewesen - auch Menschen - und unterwandert so die eigenen Reihen. Der Tod lauert in der klaustophobischen Enge der Station, und niemand weiß, wer Freund und wer Feind ist
Mit THE THING erreichte Carpenter den Gipfel als Filmschaffender, der Film ist aber zugleich Höhe- als auch Wendepunkt seiner Karriere. Erstmals arbeitete Carpenter mit dem finanziellen Rahmen eines großen Studios, THE THING ist teurer als alle vorherigen Filme von John Carpenter zusammen.
Eine Heerschar von jungen, professionellen Special-Effects-Leuten zauberten seine Vorstellung von Horror mit Latex, Plastik und jeder Menge Kunstblut auf die Leinwand, und was die Welt dann 1982 zu sehen bekam, war in dieser drastischen Form tatsächlich leinwandsprengend.
Das Ding, das - einmal aus dem Eis befreit - eine blutige Spur nach sich zieht, lässt sich dabei nie wirklich erfassen. Es kann jede Form annehmen, und selbst wenn aus der Bauchdecke Tentakel herausplatzen, ist das wiederum nur eine imitierte Form eines anderen Lebewesens. Carpenter musste dabei die Balance finden, alles zeigen zu können, aber eben nicht alles zeigen zu wollen. Ähnlich wie beim Vorreiter ALIEN bleibt doch vieles im Dunkeln oder im Halbschatten.
Carpenter lässt einen Blick auf das Ganze nur selten zu, und verzichtet mit erstaunlichem Weitblick sogar auf bereits gedrehte Stop-Motion-Effekte, weil er befürchtete, dass sich diese altmodischen Ruckelbilder nicht in die sonst sehr organische Effekte des Films integrieren. So kommt es, dass THE THING auch im CGI-Zeitalter technisch erstaunlich modern wirkt.
THE THING gilt gemeinhin als aufgemotztes Remake des gleichnamigen Howard-Hawks-Klassiker von 1951. Das ist streng genommen so nicht richtig, denn beide Filme basieren auf John W. Campbells lesenswerter Kurzgeschichte Who goes there? von 1938. Carpenters Version ist dabei aber der literarischen Vorlage deutlich näher als Howard Hawks Film, bei dem das Monster noch als großes Ungetüm in der Frankensteinschen Tradition steht und keine andere Lebensform imitiert.
Gleichwohl war aber Hawks Film Auslöser für Carpenters Wunsch, diesen Film zu drehen, und als ausgesprochener Verehrer von Hawks huldigt Carpenter seinem Vorbild auch an mehreren Stellen - etwa wenn die geretteten Videoaufnahmen der zuvor getöteten norwegischen Expedition tatsächlich Filmausschnitte aus dem Schwarz-Weiß-Klassiker sind.
Der große finanzielle Erfolg, den sich Carpenter von dem Film versprach, blieb jedoch aus und machte THE THING zum Scheidepunkt seiner Karriere. THE THING floppte, zum einen, weil in den Kinos zeitgleich E.T. das Bild vom Außerirdischen prägte. Zudem zeigten sich die Kritiker ungewohnt kühl, obwohl es gerade die bisweilen enthusiastischen Rezensionen zu DARK STAR, ASSAULT ON PRECINCT 13 und HALLOWEEN waren, die Carpenters Ruf als begnadeten Filmemacher begründeten.
Carpenter fühlte sich unverstanden und verteidigte in der Folge THE THING als den Film, den er selbst am meisten schätzte - eine Einschätzung, die auch ich lange nicht nachvollziehen konnte.
THE THING ist selbst mit Abstand gesehen kein perfekter Film. Zwar ließ Carpenter vom Großmeister Morricone die Musik komponieren, verwendete davon aber im Film nur einen Bruchteil, nämlich den, der seinen eigenen, pulsierenden Soundtracks am nächsten kam. Dabei haben die übrigen Stücke durchaus Qualität, aber sie hätten dem Film einen anderen Touch gegeben. Auch fiel Dean Cundey, dem innovativen und sonst so verlässlichen Kameramann seit HALLOWEEN, bei den Außenaufnahmen erstaunlich wenig ein. Ein richtiges Antarktisgefühl hat man in der Berglandschaft nie, aber das ist vielleicht auch dem Drehort, einem Gletscher in British Columbia, geschuldet.
Doch unabhängig hiervon ist THE THING ein unglaublich konsequent gedrehter Alptraum, der unbarmherzig auf sein nihilistisches, ambivalentes Ende steuert. THE THING sieht man sein Alter von fast 30 Jahren nicht an, er wirkt immer noch so grimmig wie am ersten Tag. Vielleicht war die Zeit damals nicht reif für Carpenters wegweisenden Film, mit Abstand aber zeigt sich seine inszenatorische Klasse. Fernab aller Blutfontänen.
Der Terror führt Regie. In einer klaustophobischen Enge zeigt sich Carpenter auf der Höhe seiner Kunst - und der seiner Effektleute. Vielleicht seine reifste, aber auf jeden Fall seine vollständigste Vision des Grauens.