HORROR: GB, 1979
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Tom Skerritt, Sigourney Weaver, Harry Dean Stanton, John Hurt
Die Besatzung des Raumschiffs "Nostromo" ist nach einem Erkundungsflug auf dem Rückflug zur Erde. Aufgrund eines Computer-Notsignals landet die Crew auf einem unbekannten Planeten. In einem Raumschiff-Wrack entdeckt die Mannschaft ein fremdartiges Wesen, das trotz aller Vorsicht an Bord gelangt. Diese zunächst scheinbar harmlose Wesensform entwickelt sich zu einer tödlichen Gefahr: Auf grauenvolle Weise tötet es ein Besatzungsmitglied nach dem anderen...
KRITIK:
...die Geburt der cineastischen Klaustrophobie
Ridley Scotts ALIEN beginnt mit einer langen Kamerafahrt durch die dunklen und vor allem beengende Korridore des Raumfrachters Nostromo. Dieses Setting aus schmalen, schlecht beleuchteten Gangsystemen war prägend für eine gesamte Generation von Regisseuren und lässt sich auch heute noch in einer Vielzahl an Filmen und Videospielen vorfinden. Nachahmung ist ja bekanntlich die größte Form der Bewunderung und so lässt sich kaum darüber streiten wie bahnbrechend der Stil ist mit dem Ridley Scott das Gefühl der Isolation und Angst bei ALIEN auf die Leinwand bannen konnte.
...verstörende sexuelle Untertöne
Nachdem die Besatzung vom Bordcomputer aus dem Hyperschlaf erweckt wurde vergehen einige etwas langatmige Filmminuten bis wir das Alien, und dann im wahrsten Sinne des Wortes, zum Ersten Mal zu Gesicht bekommen. In Form einer Kreatur, die einer Hand mit Schwanzfortsatz ähnelt, kommt es aus einem Ei geschossen. Dieser "Facehugger" klammert sich um das Visier des unglücklichen Astronauten Kane (John Hurt), drückt ihm den Hals brutal mit seinem glitschigen Schwanz zu und ätzt sich mittels eines Säuresekrets durch den Helm bis zu seinem Gesicht durch. Ein ekliger Schlauch schiebt sich in den Mund des Astronauten um dort, wie wir im Film später erfahren werden, ein Embryo in seinen Körper zu pflanzen.
Nachdem der Facehugger tot vom Gesicht abfällt und sich Kane bereits wieder bester Gesundheit zu erfreuen scheint, stirbt der Ärmste in der berühmt berüchtigten Chestburster-Szene an der gewaltsamen Geburt seines Kindes, welches aus der grotesken Vergewaltigung hervorging.
Bei einer solchen Vielzahl an alptraumhaften sexuellen Referenzen ist es dann auch nicht verwunderlich, dass in den ersten Storyboardzeichnungen der Kopf des ausgewachsenen Aliens an einen erigierten Penis erinnerte. H.R. Giger, der Erschaffer dieses alptraumhaften Wesens, hat bereits in seinen früheren Werken Erotik und Gewalt sowie Organisches und Mechanisches miteinander vermischt. Die sexuellen Aspekte der Alienkreatur und des damit verbundenen Entwicklungszyklus werden auch bis heute noch meist ausgeklammert oder ignoriert. Kein Wunder, handelt es sich auch um eine immens verstörende Thematik, die im Directors Cut noch auf die Spitze getrieben wird, in dem in einer geschnittenen Szene Ripley die Körper der immer noch lebenden Besatzungsmitglieder mittels Schleim an der Wand befestigt vorfindet und dabei entdecken muss, dass die Menschen langsam in Eier verwandelt werden wodurch sich der Lebenszyklus des Aliens letztendlich auf eine groteske Weise schließt.
...eine alptraumhafte Symbiose aus Fleisch und Metall
Rein physisch gesehen ist das Alien ein biomechanischer Alptraum. Der gesamte Körperbau scheint nur auf eines ausgelegt zu sein: effizient und schnell zu töten. Es hat Säure als Blut und in seinem Maul gibt anstatt einer Zunge nur einen weitern Satz Zähne. Man weiß nicht woher es kommt und es hat auch keinerlei Motive zu töten. Das Fehlen jeglicher Logik und Rationalität ist der Grund für den Schrecken dieses Wesens. Im Laufe des Films könnte man beinahe meinen, dass das Alien auf dem Raumschiff zu Hause wäre und eher die Besatzung den Fremdkörper darstellt, so perfekt verschmilzt das Monster mit den kalten Metallwänden des Raumfrachters und wird somit quasi eins mit dem Schiff. Die Wände haben nicht nur Augen, nein, sie haben Krallen und messerscharfe Zähne. Die Gefahr scheint omnipräsent.
...Emanzipation mit dem Flammenwerfer
Wer sollte sich also nun diesem schrecklichen Ungeheuer entgegenstellen? Das Kinopublikum der 70er Jahre fand ihren Helden schnell in Captain Dallas, verkörpert durch Tom Skerrit. Als auf männliche Rollenbilder vorkonditionierter Zuseher war man sich sicher: er war zweifelsohne der Protagonist dieser Geschichte. Spätestens ab dem Zeitpunkt als auch diese Identifikationsfigur stirbt hängt das Publikum emotional in der Luft; und der Fokus des Films wandert immer zwingender auf die bisher nur marginal in Erscheinung getretene Ellen Ripley (Sigourney Weaver). Frauen hatten bisher bestenfalls die Rolle der damsel in distress inne, also des Mädchens dessen einziger Zweck es ist gerettet zu werden. ALIEN war nicht nur die Geburtsstunde eines legendären Filmmonsters, es erschuf darüber hinaus auch eine der ersten weiblichen Actionheldinnen.
...das Böse hat viele Gesichter
Ripley versucht mittels Bordcomputer Nachforschungen über die unbekannte Spezies anzustellen und stößt dabei auf die erschreckende Tatsache, dass die Anwesenheit des Aliens an Bord kein Zufall, sondern von dem ominösen Konzern, einem Konstrukt, das in der Zukunft anscheinend alle Belange der Menschen kontrolliert, von Anfang an geplant war. Ash (Ian Holm) entpuppt sich als konzerntreuer Androide, der in einem Handgemenge nur mit Hilfe der restlichen Besatzung überwältigt werden kann. Kurz bevor er sein künstliches Leben aushaucht lässt er die Überlebenden noch wissen, wie sehr er die Perfektion und Skrupellosigkeit des Aliens bewundert und bezeichnet es als makellose Killermaschine. Zu diesem Zweck soll es auch auf die Erde und somit in die Hände des Konzerns gebracht werden. Vom moralischen Standpunkt aus schafft es der Konzern dadurch sogar böser zu sein als das Alien selbst.
...die eiskalte Mutter
Als schließlich nur noch Ripley am Leben ist, sieht diese die einzige Chance auf Rettung in der Zerstörung des gesamten Schiffes und der anschließenden Flucht via Rettungskapsel. Mutter, der Name des Bordcomputers, muss also die Besatzung, ihre Kinder, zum Teufel jagen; ein Gedankenspiel, das sehr gut in das Gesamtkonzept dieses Films passt. Am Ende, als Ripley samt Rettungskapsel auf den Wellen der Explosion des Mutterschiffes in die Weiten des Weltraums geschleudert wird, wähnt sie sich in Sicherheit. Zu Unrecht, aber das Finale wird an dieser Stelle nicht preisgegeben.
Ridley Scott ist mit ALIEN ein Meilenstein der Horrorgeschichte gelungen. Ein vielschichtiger Film dessen unterschwellige Thematiken oft erst bei mehrmaligem Konsum den Weg in das Bewusstsein des Zusehers schaffen. Sieht man einmal von den ratternden Glühbirnencomputern und Sigourney Weavers schrecklicher Pudelfrisur ab, ist ALIEN eine zeitlose Mär über das älteste Gefühl der Menschheit: Angst.
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