DRAMA: DEUTSCHLAND/ITA, 1970
Regie: Massimo Dallamano
Darsteller: Helmut Berger, Herbert Lom, Marie Liljedahl, Richard Todd
Dorian Gray verliebt sich in eine junge Schauspielerin - und vor allem in sein Selbstbildnis, das ein Freund von ihm gemalt hat. Während die Episode mit der Schauspielerin für sie tragisch im Selbstmord endet, blüht Dorian auf und wird Teil der High Society, die sich an seiner Seite sonnt. Ohne zu ahnen, worin das Geheimnis seiner ewigen Jugend besteht...
KRITIK:Für Dorian Gray ist die Welt nur eine Bühne, in der er sich präsentieren kann. So findet er seine erste Liebe auf den Brettern der Welt, und verkündet, dass er mit ihr zusammen bleiben will, auch wenn er der ganzen Welt etwas vorspielen muss. Genau dieser fatale Glaube lässt ihn zu einer folgenreichen Einschätzung finden, dass die Wahrheit an der Oberfläche zu finden ist, dass nur Äußerlichkeiten von Bedeutung sind. Erst viel zu spät begreift er, dass er einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist, Schönheit und ewige Jugend ihren Preis haben.
Dabei ist DORIAN GRAY zwar in erster Linie eine Literaturverfilmung, aber zugleich ein Spiegel seiner Zeit, er überträgt nämlich die 1891 geschriebene Geschichte in die damalige Gegenwart und nimmt dies zum Anlass, hemmungslos dem Zeitkolorit zu folgen. Alles, was der Loungepopstil der 60/70er-Jahre hervorgebracht hat und filmästhetisch in Mode war, findet sich wieder: ein poppiger Vorspann in Falschfarben, Lalala-Musik mit einem sehr eingängigen Thema, es gibt subjektive Einstellungen eines Mordes, die einem Giallo entstammen könnten, und selbstredend feiern sich die Statussymbole selbst, angefangen von irren Klamotten bis zum Sportcabriolet und der Privatyacht.
Dass die Kameraarbeit unter der Regie von Leones Ex-Kameramann stilsicher und elegant ist, versteht sich an dieser Stelle von selbst. Interessant ist weiterhin, dass Massimo Dallamano zwei Jahre später in meinem Lieblings-Giallo WHAT HAVE YOU DONE TO SOLANGE das Hausboot wieder aufgreift, auf dem Dorians Bild gemalt wird. Er muss sehr viel Wert hierauf gelegt haben, denn wenn ich es richtig in Erinnerung habe, kam im Drehbuch von SOLANGE zunächst kein Hausboot vor.
Der größte Clou dürfte aber die Besetzung der Titelrolle mit Helmut Berger sein. Mag Dorian Gray Oscar Wildes Alter Ego gewesen sein, so spielt sich Helmut Berger hier selbst. Homoerotisch, narzisstisch, und - sieht man den späteren Abstieg Bergers - sogar prophetisch. Im Film fängt Dorians Abstieg an, als er nicht erkennt, dass die schauspielerische Leistung seiner Freundin schauderhaft ist.
Dallamanos Literaturverfilmung des Klassikers ist zwar ungewöhnlich werkgetreu, stößt dennoch den Leser vor den Kopf, weil er sich vom Schwerpunkt eines Schauermärchen mit Doppelgängermotiv löst und vielmehr ein Statement zu der Oberflächenpolitur seiner Gegenwart gibt.