HORROR: DEUTSCHLAND, 2003
Regie: Stefan Ruzowitzky
Darsteller: Barnaby Metschurat, Herbert Knaup, Roman Knizka, Heike Makatsch
Jo tritt in einem Berliner Krankenhaus seinen Dienst als Assistenzarzt an und muss alsbald feststellen, dass die Klinik fest in antihippokratischer Hand ist. Antihippokraten - das sind Ärzte, die der Ethik und ihrem hippokratischen Eid entsagt haben und im Dienste der Wissenschaft sowie der eigenen Skrupellosigkeit verbotene Experimente durchführen. Mit ein bisschen Sex und Drogen von der geilen Anästhesistin ist auch Jo schnell von der Sache überzeugt und spielt -naiv wie ein Milchmädchen- brav das Versuchskaninchen für seine Logenbrüder. Deren geheime Forschungsarbeit mit künstlichen Muskeln, denen übermenschliche Kräfte innewohnen, ist natürlich nicht frei von Nebenwirkungen. Als Jo langsam dämmert, dass die Gilde der Antihippokraten kein Wohltätigkeitsverein ist, wird es auch für ihn lebensgefährlich -
KRITIK:Da brechen wir im Review zum ersten ANATOMIE noch furchtlos die Lanze für den deutschen Horrorfilm, dann folgt mit ANATOMIE 2 ein Film, der den Spöttern ein Musterbeispiel dafür in die Hände spielt, warum so viele mit Horror made in Germany nichts anfangen können. Und unser schönes Verteidigungsplädoyer fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus
Dabei ist der Ansatz, den Ruzowitzky im Sequel zu seinem ANATOMIE-Erfolg wählt, nicht verkehrt. Er rückt die antihippokratischen Umtriebe noch stärker in den Mittelpunkt des Geschehens und tauscht alle Slasherkomponenten gegen körperliche Alptraumvisionen a la frühe Cronenberg und Tsukamoto ein. Doch das hehre Body Horror-Metier der vorgenannten Großmeister ist bekanntlich eine Klasse für sich und ANATOMIE 2 gibt sich beim Versuch, die Welt der bio-synthetischen Monstrositäten im Sturm zu erobern, mehr als einmal gnadenlos der Lächerlichkeit preis. Wo uns Cronenberg oder Tsukamoto in Abgründe biologischen Grauens führen, wandelt Ruzowitzky - man muss es so hart schreiben - lediglich auf den Pfaden des Schwachsinns.
Keine Frage; dann und wann blitzt Selbstironie durch. Und wenn Männer in Jogginghosen dank unlauterer Antihippokratenexperimente in Sekundenschnelle ein Zelt spannen und wieder in sich zusammensacken lassen können, entbehrt dies nicht einer gewissen Komik, aber es bleiben Zweifel, ob Ruzowitzky die Selbstparodie tatsächlich so beabsichtigt hat. Viel mehr drängt sich der Verdacht auf, dass er beim Versuch einen leicht ironischen, aber im Grunde ernst gemeinten Film zu drehen, grandios gescheitert ist.
Age Actabile Antihippocrate - Sicherlich ein Stoff aus dem Alpträume sind und sicherlich etwas, das man zu etwas Monströseren hätte formen können als das, was uns ANATOMIE 2 unter diesem Begriff verkauft.
Hier sind die Aktivitäten der A.A.A. in etwa so umrissen: Selbstverliebte junge Ärzte kriechen ihrem arroganten Professor (Herbert "Schauen Sie mich nicht so kuhäugig an!" Knaup im erbarmungslosen Overacting) in den antihippokratischen Allerwertesten, ballern sich mit allerhand Substanzen (die auf "-phinen" enden) zu und lassen sich künstliche Supermannsmuskeln implantieren, damit sie a) wie die jungen Götter bumsen, b) hundertfünf Tore in einer Fußballhalbzeit schießen c) den Nobelpreis gewinnen oder d) abtrünnige Antihippokraten via Muskel-Fernsteuerung vom Dach springen lassen können.
Schon nach einer Viertelstunde lässt Ruzowitzky im OP 17 nicht nur einen Schädelbasisbruch (ziemlich spontan) operieren, sondern schneidet da auch gleich alle Glaubwürdigkeit aus dem Film.
In meinem Heimkino bin ich gewiss kein Logikfanatiker und ich mag auch wilde Plots, aber bei ANATOMIE 2 schießt Regisseur und Drehbuchautor Ruzowitzky doch einige Male übers Ziel hinaus. Phasenweise weiß man hier wirklich nicht mehr, ob das nun zum Lachen, Weinen oder Schämen ist. Wobei einer der größten Brüller die kurze Rückkehr der Franka Potente ist. Sie ist nicht mehr Medizinstudentin wie noch im ersten Teil, sondern -Man lese und kichere! - Polizistin einer Sondereinheit des BKA, die sich ausschließlich der Jagd auf Antihippokraten widmet. Ihre Ermittlungen dauern zwei Cameos lang. Nicht viel länger, aber gewichtiger und blutiger ist die Screentime von August Diehl. Der ist im viel versprechenden Intro zu sehen, dass doch tatsächlich einen feinen Body Horror-Flick in Aussicht stellt. Den es aber im Anschluss dann doch nicht gibt
Nein, nein und nochmals nein. Ernstnehmen kann man ANATOMIE 2 beim besten Willen nicht. Aber vielleicht verkennen wir nur die wahre Natur des Films. Haben wir es am Ende gar nicht mit dem gescheiterten Versuch eines Medizinhorrorfilms zu tun, sondern tatsächlich mit einer gut getarnten Genrepersiflage? Wer weiß So ganz ohne Unterhaltungswert ist dieser Unsinn jedenfalls nicht.
Die Fortsetzung zum recht erfolgreichen deutschen Slasher ANATOMIE gibt Rätsel auf, weil die Intention des Regisseurs unklar ist. Wollte Stefan Ruzowitzky hier nun einen Medizinhorrorfilm drehen oder nur eine Farce davon?