HORROR: USA, 2007
Regie: Tommy OHaver
Darsteller: Catherine Keener, Ellen Page, James Franco, Bradley Whitford, Hayley McFarland, Ari Graynor, Evan Peters
Amerika in den 60er Jahren: Weil ihre Eltern ihr Geld auf Rummelplätzen verdienen und ergo ständig unterwegs sind, kommen die Schwestern Sylvia und Jennie für einige Monate zu Gertrude Baniszewski, einer Art Pflegemutter. Anfangs läuft ja alles prima: Die beiden Schwestern verstehen sich mit den Baniszewski-Kindern und auch in der Schule kann Sylvia sich einleben. Doch Sylvia wird mehr und mehr zu einem Sündenbock für ihre heillos überfordere Ziehmutter und für das Mädchen beginnt ein unvorstellbares Martyrium...
KRITIK:Bereits zu Beginn wird der Zuseher darüber aufgeklärt, dass er es mit einem Film, der auf wahren Begebenheiten basiert, zu tun hat. Ein Spruch, den man ja häufig hört und in dem meist nicht viel mehr als ein Körnchen Wahrheit steckt, doch bei An American Crime verhält es sich anders.
Der Film basiert zum größten Teil tatsächlich auf wahren Begebenheiten. Geschildert wird das Martyrium von Sylvia Likens, die im Indianapolis der 60er Jahre im Haus von Gertrude Baniszewski die Hölle auf Erden erlebte. Die Geschichte schlug damals hohe Wellen und sorgt auch bis heute noch für Gesprächsstoff, da nicht nur Gertrude Baniszewski Sylvia quälte, sondern sich auch Gertrudes Kinder daran beteiligten und irgendwann von selbst damit begannen, das im Keller festgehaltene Mädchen zu malträtieren. Doch es blieb nicht dabei. Auch die Nachbarskinder fanden schnell Gefallen an dem neuen Spiel. Ebenso andere Kinder und Jugendliche.
Regisseur und Autor Tommy O'Haver nähert sich der Geschichte äußerst behutsam, der Film beleuchtet das Martyrium ohne es auszuschlachten. Gezeigt wird wenig, das meiste nur angedeutet und in den entscheidenden Momenten wird ausgeblendet. Man kann dem Film sicher zugute halten, dass das Geschehen ohne eine Spur von Voyeurismus nachgezeichnet wird.
Zudem nimmt sich der Film auch Zeit für die Geschichte und für die Einführung der Charaktere. So wird zu Beginn erst einmal versucht ein Bild der damaligen Zeit zu zeichnen, das Lebensgefühl, die Musik, einzufangen. Das detailverliebte Setting und die sanften Farbtöne des Films tragen ihr übriges dazu bei. Ungeduldige Filmseher werden mit Sicherheit bemängeln, dass im ersten Teil nicht wirklich etwas weitergeht. Doch es sind diese kleinen Momente, die auf den ersten Blick unwichtig erscheinen mögen, die die Geschichte schließlich auch dorthin bringen, wo sie endet.
Bereits im Umgang der Kinder wenn sie miteinander spielen oder gemeinsam im Zimmer abhängen, zeigen sich immer wieder Spannungen oder lassen sich Charakterzüge erkennen, die erst später zur vollen Entfaltung kommen.
OHaver scheut davor zurück, mit seinem Werk Antworten zu geben, oder das ganze zumindest ein wenig nachvollziehbar zu machen. Sein Film deutet zwar vieles an, das Wegschauen der Nachbarn, die sozialen Probleme, psychische Probleme, doch letztendlich tappt er im Dunkel.
Vor allem im Bezug auf die alles andere als unschuldigen Kinder. Die Entwicklung der "normalen" Durchschnittskinder zu grausamen Folterknechten wird zum größtenteils ausgespart, stattdessen wird der Zuseher vor vollendete Tatsachen gestellt.
Das Augenmerk liegt eindeutig mehr auf der Figur Gertrud Baniszewski, die auch durchaus von mehreren Seiten beleuchtet wird. Sie wird nicht nur als böses Monster dargestellt, sondern auch als Mensch mit Sorgen und Problemen. Ihre Wut, ihre Bitterkeit wird zumindest bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar gemacht, auch wenn die Konsequenzen, die sie daraus zieht, den Zuseher schockieren.
Schauspielerisch ist An American Crime over the top. Ellen Page spielt auf gewohnt hohem Niveau, aber es ist vor allem auch die darstellerische Leistung von Cathrine Keener als psychisch instabile Pflegemutter, die mich wirklich beeindruckt hat.
Das Problem das ich mit dem Film hatte ist, dass er mich, im Gegensatz zu Filmen wie FUNNY GAMES, oder EDEN LAKE, die nach dem Ansehen tagelang in meinen Kopf herumgespuckt sind, nicht soooo extrem gepackt oder schockiert hat.
Ungewöhnliches True-Crime-Drama, dass sich dem grausamen Verbrechen, das es zum Inhalt hat, langsam und ohne es auszuschlachten nähert. Der Film versucht gar nicht erst Antworten zu suchen und deutet vieles nur an, der Zuseher wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Sehenswert.